Der Weg zur einheitlichen Rechtspflege 251 staates. Erst das totalitar-polizeistaatliche System des NS-Staates miBachtete sie. Mit dem vorgeschobenen Argument, zur Wahrheit und Gerechtigkeit vordringen zu wollen, verschärfte man die Inquisitionsmaxime und beseitigte fast sämtliche Grundsätze des rechtsstaatlichen Strafprozesses.^® Nach 1945 besann man sich wieder auf liberale Grundsätze und entfernte aus der StPO das typisch nationalsozialistische Gedankengut. Ob —wie Ingo Muller meint —nur eine oberflächliche „Entbräunung“ vorgenommen wurde,^® muB bezweifelt werden. Denn angesichts der noch immer frischen Eindriicke aus der NS-Diktatur und der grundsätzlichen Verpflichtung zur Wahrung des fundamentalen Rechts auf Menschenwiirde stärkte der Gesetzgeber in hohem MaBe die Verteidigungsrechte des Beschuldigten.'*® Zu nennen ist die detaillierte Regelung des richterlichen Priifungsverfahrens bei der Verhaftung und vorläufigen Festnahme^^ sowie das minuziös beschriebeneVerbot unzulässiger Vernehmungsmethoden.^^ Diese Entwicklung setzte sich fort mit der sogenannten kleinen Strafrechtsreform von 1964. Zu ihren wichtigsten Neuerungen gehörten eine nur in engen Grenzen zulässige Untersuchungshaft,^^ die Verbesserung der Stellung des Verteidigers durch erweiterte Akteneinsicht und Verkehrsmöglichkeit mit dem Beschuldigten®^ sowie eine umfassende Belehrungspflicht des Beschuldigten liber sein Aussageverweigerungsrecht.^^ Neben weiteren Liberalisierungen enthalten die seit dem 1.1.1975 in Kraft getretenen Gesetze zur Strafrechtspflege einige nicht unerhebliche Die Rechtsmittel wurden auf ein unerträgliches MaB reduziert —vgl. E. Kern, a.a.O., S. 244, 245; gem. der 4. Vereinfachungsverordnung v. 13.12.1944 wurde die Zulassung von Rechtsmitteln von der Entscheidung des Vorderrichters abhängig gemacht. Es wurden neue Verhaftungsgrunde gefunden und damit das Recht der Polizei zu vorläufigen Festnahmen erweitert — vgl. Ges. v. 28.6.1935. Der Staatsanwaltschaft wurde das Recht zum ErlaB von Haftbefehlen eingeräumt — vgl. 4. Vereinfachungsverordnung v. 13.12.1944. Vgl. FuBn. 29. In: Kritische Justiz, 1977, S. IS. Vgl. K. S. Bader, in: Festschrift fiir H. F. Pfenniger, 1956, S. 5 ff. 5® §§ 114 ff. StPO. §§ 127 ff. StPO. 5- § 136 a StPO. 55 Eingefiihrt durch die sog. kleine Strafrechtsreform vom 19.12.1964, §§ 112—126 a 49 StPO. 51 §§ 147 ff. StPO. 55 §§ 136, 163 a; 243 IVStPO. 5® Z.B. Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten im Bereich der Kleinkriminalität (§ 153 StPO), Abschaffung der Hauptverhandlung gegen Abwesende (§§ 258 ff. a.F., jetzt geändert durch §§ 231 a, b StPO); im weiteren Sinne gehört auch das Gesetz iiber das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk v. 25.5.1975 hierher (vgl. §§ 53 I, 5, 97 V, 98 I, 111 m, n StPO).
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