Gunter Gudian 238 der Historischen Schule daher keinen Neubeginn,^® vielmehr gingen die von der Historischen Schule erhobenen Forderungen in mehrerlei Hinsicht auf der Germanistik des 18. Jahrhunderts zugrundeliegende Vorstellungen zuriick. So virulent die Idee eines dem röniischen Recht gleichwertigen deutschen Privatrechts seit dem 18. Jahrhundert auch war und teilweise heute noch ist, ihre Umstellung in die Tat stellte die Germanisten vor groBe Schwierigkeiten. Die Erarbeitung eines eigenen Systems als solchen ist nie gelungen. Verschiedene Autoren der Gegenwart bezweifeln, ob es theoretisch iiberhaupt möglich war.^^ Im 19. Jahrhundert kam Karl Friedrich Wilhelm Gerber in seiner beriihmten Schrift „Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts“ (1846) praktisch zumgleichen Resultat. Seit Gerber hat sich bei den meisten Germanisten die Erkenntnis durchgesetzt, „daB die Methode des deutschen Privatrechts keine andere sein konnte als die Methode der dogmatischen Rechtswissenschaft uberhaupt“,®^ so daB die inhaltlich deutschrechtliche Darstellung sich doch in den Formen und unter Zugrundelegung des Systems vollzog, die die Pandektenwissenschaft erarbeitet hatte. Die Beschäftigung mit den Partikulargesetzen oblag an sich Romanisten und Germanisten gemeinsam, jenachdem, ob die betreffende Vorschrift auf römisches Recht zuriickging oder nicht. Während aber die Romanisten, wie dargelegt, das Gesetzesrecht spaterer Jahrhunderte als imVergleich zum antiken Recht minderwertig ansahen, waren die Germanisten von einem derartigen Vorverständnis unbeeinfluBt. Sie zogen daher zum groBten Teil das geltende Gesetzesrecht unvoreingenommen in ihre wissenschaftlichen Untersuchungen mit ein und hatten dadurch von vornherein einen wesentlich stärkeren Bezug zur Praxis als ihre mehr der Theorie verhafteten romanistischen Kollegen. Es ist kein Zufall, wenn zum Beispiel der gerade wegen seiner Bemiihungen um die praktische Verwertbarkeit rechtswissenschaftlicher Arbeit so verdiente Karl Joseph Anton Mittermaier dem Kreis der Germanisten entstammte. 60 Vgl. Karl Kroeschell, Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, in: Wissenschaft und Kodifikation I (oben, Anm. 2 am Ende), S. 249—276, hier S. 257; Hans Schlosser, Das „wissenschaftliche Prinzip“ der germanistischen Privatrechtssysteme, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte — Gedächtnisschrift fiir Hermann Conrad, 1979, S. 491—514, hier S. 495. WilhelmEbel, Liibisches Recht I, 1971, S. 10 f.; Gunter Gudian, Gemeindeutsches Recht im Mittelalter? In: lus commune II, 1969, S. 33—42, hier S. 36; Hans Schlosser, Das nwissenschaftliche Prinzip" (Anm. 58), insbes. S. 512 f. 1823—1891. Vgl. Stintzing—Landsberg III 2 Text, S. 778—788, 800—807 und 825—833. Schlosser (Anm. 58), S. 504. ®- 1787—1867. Vgl. Stintzing—Landsberg III 2 Text, S. 413—437, und neuerdings Gagnér (Anm. 22), S. 42 ff.
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