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Die DEUTSCHE Rechtswissenschaft 237 strialisierung wurden die anstehenden sozialen Probleme drängender. Die in der einmal eingefahrenen Methode zu fest verwurzelte Pandektenwissenschaft konnte sich davon nicht lösen. Der zunehmenden Kritik, nunmehr auch aus den eigenen Reihen,^^ setzte der fiihrende Pandektenwissenschaftler dieser Zeit, Bernhard Windscheid, 1884 die oft zitierten Worte entgegen: „Ethische, politische oder volkswirtschaftliche Erwägungen sind nicht Sache des Juristen als solchen“.^^ Das seit 1873 in Arbeit befindliche, zum 1.1.1900 in Kraft getretene BGB war daher imwesentlichen die Frucht eben dieser Pandektenwissenschaft, und zwar sowohl in Bezug auf seinen Inhalt wie hinsichtlich der Methode und der zugrundeliegenden Vorstellungen. Von Savigny und den Vertretern der Pandektenwissenschaft (den sog. Romanisten) unterschieden sich die schon mehrfach genannten Germanisten —zu ihnen gehörte auch der Mitbegriinder der Historischen Schule neben Savigny, Karl Friedrich Eichhorn — in dreierlei Hinsicht: In Bezug auf den Arbeitsbereich, das Verhaltnis zumzeitgenössischen Partikularrecht und das Verhaltnis zur sozialen Funktion des Rechts. Die Germanisten beschäftigten sich mit den Teilen der geltenden Rechtsordnung, die nicht auf das römische Recht zuriickgingen. Dazu gehörten, neben einer ganzen Reihe von Rechtsinstituten des Biirgerlichen Rechts, vor allemdie neu erbluhende Disziplin des Handelsrechts.^® Durch Erforschung des germanischen und des deutschen mittelalterlichen Rechts sowie durch Vergleich der nicht römischrechtlich beeinfluBten Teile der Partikulargesetze untereinander versuchte man, ein dem römischen Recht gleichwertiges, auf deutschrechtlichen Grundsätzen aufbauendes Rechtssystem zu schaffen, auf das man bei der Interpretation und Ergänzung der nicht römischrechtlichen Rechtssätze zuriickgreifen könne. Diese Konzeption ist —nach Anfängen im 17. Jahrhundert —schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelt worden.^^ Fiir die Germanistik bedeutete die Begriindung Gemeint ist Rudolf v. Jhering (1818—1892). Vgl. Stintzing—Landsberg III 2 Text, S. 788—825; Larentz, Methodenlehre, S. 47—53. So wichtig Jherings Denkanstöfie fiir die Rechtswissenschaft des 20. Jhs. geworden sind, so wenig hat er doch — ebenso wie die weiter unten zu behandeinde Germanistik —fiir seine eigene Zeit praktikable Alternativen anzubieten gehabt, vgl. dazu Dilcher (Anm. 6), S. 520. Die Aufgaben der Rechtswissenschaft, Leipziger Rektoratsrede 1884, in: Gesammelte Reden und Abhandlungen, herausgegeben von P. Oertmann, 1904, S. 112. 1781—1854. Vgl. Stintzing—Landsberg III 2 Text, S. 253—277. Vgl. dazu neuerdings Gerhard Köbler, Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrcchts, in: Wissenschaft und Kodifikation I (oben, Anm. 2 am Ende), S. 277— 296, mit weiteren Literaturangaben. Klaus Luig, Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, in: lus commune, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts fiir Europaische Rechtsgeschichte, Bd. 1, 1967, S. 195—222.

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