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234 Gunter Gudian Historische Entwicklung des Rechts und nationale Eigenart akzeptierte er nur fiir dessen fruhe, seiner Meinung nach längst iiberwundene Phase.'*^ Im iibrigen beriihrte er sich enger mit bestimmten Vorstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts, als die von ihm verwendeten Schlagworte glauben machen könnten.'*^ Er hat zwar seine wahre Einstellung nicht kaschiert.'*^ Indes bedurfte und bedarf es schon einer sehr genauen Lektiirc seiner Ausfiihrungen, urn nur scheinbar Vertretenes vom wirklich Gemeinten zu trennen. Der Savigny schon von Zeitgenossen gemachte Vorwurf der Inkonsequenz besteht somit nicht zu Recht und es ist ihm beizupflichten, wenn er sich gegen die Annahme einer „Sinnesanderung“ verwahrte."*® Die zeitgenössische und die moderne Kritik beruhen indes trotz des Zusammenlaufens ihrer Ergebnisse auf verschiedenen Pramissen. Diejenigen, die heute von angeblich programmwidriger Entwicklung der Historischen Schule sprechen, unterliegen in der Regel zusatzlich noch der Vorstellung vom stetigen geschichtlichen Wandel des Rechts und interpretieren diese nachträglich in das Programm der Historischen Schule hinein. Die Vorstellung vom notwendigerweise dynamischen und niemals statischen Charakter des Rechts ist aber in dieser Konsequenz erst fiir das 20. Jahrhundert typisch. Basierend auf der Erfahrung, daB auch das BGB die veränderten auBerrechtlichen Umstände nicht unverändert iiberdauerte, ist sie erst ab etwa 1920 denkbar. Die Anhänger der Historischen Schule einschlieBlich Savignys wandten sich, wie gesagt, der Interpretation historischer Quellen mit dem Ziel zu, das geschichtlich gewordene Recht auf der Stufe seiner Vollendung zu erSo sprach er insbesondere vom Wirken des sog. Volksgeistes nur im Zusammenhang mit dieser ersten Phase der Rechtsentwicklung, als noch das Volk im ganzcn Träger des RcchtsbewuBtseins war (System I, S. 16 f.). Vgl. dazu insbesondere Wilhelm (Anm. 17), S. 61 und passim; Larenz (Anm. 5), S. 11 ff. und 20. Ferner Wesenberg—Wesener (Anm. 4), S. 156. Wieacker weist indes zu Recht darauf hin, daB die geistesgeschichtlichen Grundlagen andere waren als im 18. Jh. (Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 367 ff.), und spricht daher von der „Neubegrundung“ einer methodenbewuBten systematischen Rechtswissenschaft. Bezeichnenderweise bediente er sich an der entscheidenden Stelle (Beruf, S. 22, vgl. oben, Anm. 34) bei der blldhaften Darstellung des Gemeinten mittels geometrischer Gesetze sogar des iiberkommenen, schon dem 17. Jh. geläufigen Topos (vgl. dazu Walther Schönfeld, Grundlegung der Rechtswissenschaft, 1951, S. 313 ff. und 436 f.). Vgl. auch seine 1840 riickblickend getroffene Feststellung, daB der Gegensatz zwischen der sog. Flistorischen Schule und ihren Gegncrn eigentlich nur ein scheinbarer gewesen sei (oben, zu Anm. 14). ‘'® System I, S. XVI (oben, zu Anm. 15). Wie hier auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 369—372, 385 und 393, vgl. insbes. S. 371: „Eine Analyse des Gesamtwerks zeigt, daB Savigny mit der ihm eigenen Beharrlichkeit an diesem friih gefaBten Arbeitsplan stets festgehalten hat.“

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