Die DEUTSCHE Rechtswissenschaft 233 gestorben sei,^® wird deutlich, da6 er das Recht als solches (sein ,,organisches Pnnzip“) ganz und gar auf die Wurzeln und nicht etwa auf eine zwischen ihnen und seiner Zeit liegende Entwicklung zuriickfiihrt, auch wenn er dies einmal verbal bestreitet.^® Die weitere Entwicklung beriihrt lediglich die Frage der Weitergeltung dieses sich schon in den Wurzeln dokumentierenden und folgerichtig ihnen allein zu entnehmenden Rechts. Die verschiedenen genannten Wurzeln (römisches Recht, germanisches Recht und „neuere Kodifikationen beider Rechte“) sind somit nicht etwa kuniulativ, sondern rein alternativ zu verstehen.***^ Das Savigny vorschwebende, von der Wissenschaft zu erarbeitende rechtliche System war daher doch als zeitloses und daher auch absolutes gemeint.^^ Eine andere Vorstellung ware auch mit seiner Idealisierung der Antike schwer vereinbar gewesen. Die schon oben angedeutete unterschiedliche Auffassung vom Wesen der Historischen Schule liegt nunmehr deutlich vor uns. Savigny hat sich zwar als geschickter Argumentierer der gängigen Schlagv/orte seiner Zeit bedient und damit bis heute viel (insoweit unverdienten) Beifall gefunden. Den apostrophierten Lehren war er aber nur sehr bedingt verbunden.'*“ Ebenso die Vorrede zum System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, S. XV. Als weitere Aufgabe der historischen Sichtung wird dort noch die Reinigung der gewonnenen Wahrheit von dem im Lauf der Zeit beigemischten Irrtum genannt (S. XI). System I, S. XIV: „Die geschichtliche Ansicht der Rechtswissenschaft wird völlig verkannt und entstellt, wenn sie häufig so aufgefaCt wird, als werde in ihr die aus der Vergangenheit hevorgegangene Rechtsbildung als ein Höchstes aufgestellt, welchem die unveränderte Herrschaft iiber Gegenwart und Zukunft erhalten werden musse.“ Die dem folgcnden Ausfiihrungen — vgl. Anm. 38 — lassen erkennen, daB sich Savigny in Wahrheit nur von der angeblichen Forderung unvcranderter Herrschaft des römischen Rechts distanziert. Savigny erkannte somit dem Teil der Rechtsordnung, der nicht auf das römische Recht zuriickging, durchaus sein Eigenlebcn zu. Vgl. dazu auch Wilhelm (Anm. 17), S. 46 ff., dessen sorgfältige Analyse mit der Feststellung schlieCt, ,,Savignys ,organische‘ Methode erweise sich im Elinblick auf die technisch-systematischen Begriffe bereits in der Theorie als ,Begriffsjurisprudenz‘ “ (S. 69). Ebenso Wesenberg—Wesener (obcn, Anm. 4), S. 158: „Die glänzenden Formulierungen, die Savigny in seinem rechtshistorischen Programm gefunden hat, machen es zwar unmöglich, dafi man ihn nur zu den ,Mitläufern‘ des Historismus zahlt. Er ist vielmehr zunächst dessen vollkommenster Theoretiker. Aber er fördert diese geistige Bewegung nur insoweit und läBt sich durch sie nur insoweit treiben, als sie sein wesentlichstes Anliegen stiitzt" usv. Treffend in der Zuordnung von geschichtlichem und methodischsystematischem Verständnis bei Savigny auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (oben, Anm. 2), S. 353 f.: „Die historische Rechtsschulc versteht nicht etwa Recht nur als Geschichte, sondern die Rechtswissenschaft ... als ,geschichtliche'. Dies kann aber im Programm einer Erneuerung der Wissenschaft vom positiven Recht nur den Sinn haben, daB der Gegenstand der Rechtswissenschaft durch die Geschichtlichkeit des gegenwärtigen Rechts vorwegbestimmt ist ... ; nicht den wciteren Sinn, daB etwa geschichtliche Erkenntnis an die Stelle der dogmatischen Aufgabe der Jurisprudenz treten soil" usw.
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