Die DEUTSCHE Rechtswissenschaft 229 Savignys Hoffnungen auf eine spiirbare Verbesserung des Universitätsunterrichts aufgrund einer gemäB seinen wissenschaftlichen Vorstellungen vcrbesserten Theorie erfullten sich indes nicht. Er stimmte schlieBlich selbst in den Chor derer ein, die die „stets wachsende Scheidung zwischen Theorie und Praxis“ beklagten,^^ freilich ohne seine Grundanschauung zu revidieren.^^ Ob das fiir einen groBen Teil des 19. Jahrhunderts belegte negative Urteil der Praxis liber die Ergebnisse des akademischen Unterrichts wirklich der Historischen Schule anzulasten ist, wie deren Gegner meinten, wird zwar heute iiberwiegend bezweifelt.-** Indes ist wohl kaum zu bestreiten, daB Zielsetzung und Methode der Historisclien Schule auch nicht gerade dazu angetan waren, diesem Phänomen entgegenzuwirken.^^ Fiir die deutsche Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts ist von entscheidender Bedeutung geworden, daB sich Savigny und seine Schuler trotz Savignys offiziellem Bekenntnis zur Geschichte des Rechts in toto ausschlieBlich mit dem antiken romischen Recht befaBt haben. Die Griinde deutschen Universitäten (etwa dem schon öfter genannten Heidelberg, der Wirkungsstätte Thibauts) war der Praxisbezug des juristischen Studiums während der ganzen ersten Hälfte des 19. Jhs. wesentlich stärker. Vgl. namentlich fiir Landshut/Mvinchen neuerdings wieder Sten Gagnér, Die Wissenschaft des gemeinen Rechts und der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Wissenschaft und Kodifikation I (s. Anm. 2 am Ende), S. 1—118, hier S. 13 f. und passim. System des heutigen romischen Rechts I, 1840, S. XXV. Vgl Bake (Anm. 17), S. 112 f. und 147 f. Obcn, Anm. 17. Ludwig Reyschcr berichtete auf der Germanistenversammlung 1846 in Frankfurt a.M. von einer in der Praxis verbreiteten Redensart, wonach der angehende Praktiker zunächst alles vergesscn miisse, was er in der Tlieorie gelernt habe (Verhandlungen der Germanisten zu Frankfurt 1846, S. 86, zitiert nach Scheuermann (Anm. 12), S. 5). Man vgl. ferner die höchst amiisante Schilderung des Auseinanderklaffens von Universitätsunterricht und Praxis, die Rudolf von Jhering 1862 anonym in der Deutschen Gerichtszeitung veröffentlichte ( =Rudolf von Jhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 13. Aufl. 1924, Neudruck 1964, S. 40 ff. Landsberg sah in der Absonderung der Theorie von der Praxis eine Besonderheit der deutschen Rechtslehrer, die schon mit Heineccius begann (Stintzing—Landsberg III 1 Text, S. 196 f.). Dem zustimmend in neuer Zeit u.a. Erich Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953, S. 321; Gottfried B.'^umgArtel, Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät in dem ersten Jahrhundert ihres Bestehens, 1962, S. 27—29 und 62—65; Scheuermann (Anm. 12), S. 7 f. So auch Stintzing—L.\ndsberg III 2 Text, S. 232; Wilhelm (Anm. 17), S. 34; Scheuermann (Anm. 12), S. 8. Beruf, S. 117 f.: Die historische Methode der Rechtswissenschaft „besteht nicht, wie einige neuere Gegner unbegreiflicherweise gesagt haben, in ausschlieBlicher Anpreisung des Romischen Rechts. . . . Ihr Bestreben geht vielmehr dahin, jeden gegebenen Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen . . . Der Stoff aber der Rechtswissenschaft, welcher auf diese Weise bchandelt werden soil, ist fiir das gemeine Recht dreifach, woraus sich drei Hauptteile unsrer Rechtswissenschaft ergeben: Römischcs Recht, Germanisches Recht und neuere Modifikationen beider Rechte.“
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