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Gunter Gudian 228 teils eine stärkere Orientierung des Unterrichts an der Praxis, namentlich an den geltenden Landesgesetzen, teils eine griindlichere theoretische Ausbildung. Savigny gehörte, ebenso wie der preuBische Bildungsreformator Wilhelm v. Humboldt,^® zur letztgenannten Gruppe. Er erklärte Gesetzbiicher als fiir den akademischen Unterricht weniger geeignet und sah es 1814 als Vorteil an, daB die 1810 neugegriindete Universität Berlin keine Vorlesungen iiber das PreuBische Allgemeine Landrecht anbot; „zum praktischen Bedurfnis“, meinte auch er, „reiche die spätere Einubung“ im juristischen Vorbereitungsdienst aus.-^ Dieser scharfen Trennung zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung und der Beschrankung des Universitätsunterrichts auf erstere wurde auch durch das in PreuBen seit 1748 herrschende und ini Verlauf des 19. Jahrhunderts in ganz Deutschland iibernommene zweistufige System der Juristenausbildung (Universitätsstudium mit sich anschlieBendem obligatorischen Vorbereitungsdienst bei Gericht) Vorschub geleistet.-- Jur>itenausbildung in PreuBen, jur Diss. Kiel 1971, S. 17 ff. Belege fiir das 19. Jahrhundert z.B. bei Walter Wilhelm, Zur juristischen Methodenlehrc im 19. Jahrhundert, 1958, S. 34, Anm. 75, und bei Scheuermann (Anm. 12), S. 3, mit weiteren Nachweisen. Vgl. zu Humboldts Vorstellung Bake (Anm. 17), S. 82 ff.: Der Universität obliege die „allgemeine wissenschaftliche Bildung“, wodurch „der Mensch selbst gestärkt, geläutert und geregelt werde“; die eigentliche Berufsausbildung („praktische Ausbildung“) gehöre nicht an die Universität, sondern musse einem späteren Stadium vorbehalten bleiben. 1» Beruf, S. 139 f.: „Es liegt in der Nautr, daB in jedem Zeitalter der Zustand der Rechtswissenschaft durch den Wert desjenigen bestimmt wird, was dieses Zeitalter als nächstcs Objekt des Studiums . . . betrachtet und behandelt; stets wird die Rechtswissenschaft .'twas und vielleicht viel tiefer stehen, als dieses Objekt.“ Dieser „Ruckschritt wird iiberall stattfinden, wo nicht der Grundsatz befolgt wird, jeden Stoff bis zu seiner Wurzel zu verfolgen." S. 136 f.: „Die häufig gehegte Erwartung also, daB das Rechtsstudium“ durch ein neue<= Gesetzbuch „leichter und einfacher werden könne, ist irrig: soil es nicht schlecht und fiir den gegebenen Rechtszustand unzureichend werden, so bleibt alle vorige Arbeit, und es kommt noch eine neue hinzu, die wegen Zerstörung der urspriinglichen Form unerfreulicher ist, als die vorige. Aber nicht bloB fiir die griindliche Kenntnis und Anwendung der Gesetzbiicher ist das vorige Studium unentbehrlich, sondern auch fiir ihre Fortbildung und Vervollkommnung, die doch jeder fiir notwendig erkennen wird, er mag auch den Wert derselben noch so hoch anschlagen. Denn die Gesetzbiicher selbst sind auf theoretischem Wege entstandcn, und nur auf diesem Wege können sie mit Sicherheit gepriift, gereinigt und vervollkommnet werden.“ Diese Argumentation war im iibrigen nicht neu, vgl. in Bezug auf das preuBische Allgemeine Landrecht Bake (Anm. 17), S. 58—71. Ibidem, S. 144 und 146 f. Savigny las allerdings ab 1819 selbst preuBisches Landrecht. Vgl. dazu Bake (Anm. 17), S. 113 ff., und Wolfgang Wagner, Die Wissenschaft des gemeinen römischen Rechts und das Allgemeine Landrecht fiir die PreuBischen Staaten, in: Wissenschaft und Kodifikation I (s. Anm. 2 am Ende), S. 119—152, hier S. 131 ff. Ibidem, S. 146. Vgl. dazu die schon genannte Dissertation von Uwe Bake iiber Die Entstehung des dualistischen Systems der Juristenausbildung in PreuBen (Anm. 17). An anderen

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