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Die DEUTSCHE Rechtswissenschaft 225 gleiche Brauchbarkeit haben“ sollte." Damit leugnete sie zugleich die Mögliclikeit, Recht vomabstrakt-philosophischen Ståndpunkt aus begreifen und schaffen zu können. Basierend auf der Erkenntnis, daC das Recht — wie jede Errungenschaft menschlicher Kultur —geschichtlich geworden sei, erhob sie nun diesen tatsachlichen Vorgang in den Rang der einzig denkbaren Legitimation. Diese positivistische Einstellung beruhte ihrerseits auf dem Glauben der Zeit an das Waken geschichtlicher Entwicklungsgesetze,® die gleichsam als Naturgesetze verstanden wurden. Man hielt es deshalb fiir möglich, im Wege wissenschaftlicher Forschung das Wesen des Rechts wie das jedes einzelnen Rechtssatzes aus seiner geschichtlichen Entwicklung erkennen zu können, und zwar derart, daB diese Erkenntnis gegebenenfalls auch die weitere —weil ja „gesetzmäBige“ —Entwicklung in der Zukunft mit umfasse. In einembeliebten, typischerweise der Biologie entlehnten und schon von Herder verwendeten Bild verglich man das Recht mit der Eiche, die schon imSamenkorn als solche angelegt sei, oder mit der Rose, die sich aus der Rosenknospe entwickele. Diese Sicht der Dinge hatte, weil Geschichte damals in erster Linie national verstanden wurde, die Folge, daB man auch das Recht als Ausdruck nationaler Eigenart und Kultur ansah. Die derart geschichtlich bedingte, sich kraft der genannten geschichtlichen Entwicklungsgesetze auch in der Ausgestaltung des Rechts verwirklichende nationale Eigenart wurde mit einem Schlagwort der Zeit „Volksgeist“ genannt. Und weil Recht, so verstanden, nichts anderes sein konnte als nationales Recht, wurde der Glaube des 18. Jahrhunderts an ein absolutes, „fur alle Völker und alle Zeiten gleiches“ Recht, wie eingangs dargelegt, zumIrrglauben erklärt. Nun ist zunächst zu sagen, daB —zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts — nicht alle Verfasser juristischer Schriften Anhänger der Historischen Schule waren. Savigny erfand fiir sie den Sammelbegriff ,,die ungeschichtliche Schule“,® ein nicht sehr gliicklicher Ausdruck, gegen ’ So Savignys Formulierung in „Vom Beruf unsrer Zeit fur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft», Heidelberg 1814, S. 5 (=Thibaut und Savigny — Ihre Programmatischen Schriften, S. 100). Indes ist schon hier anzumerken, daB dieser Aspekt fiir den germanistischen Zweig der Historischen Schule nichts Neues darstellte, vgl. unten. ® Vgl. dazu insbesondere Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (Anm. 2), S. 355—358. ® Vgl. seinen Einfuhrungsaufsatz „Ober den Zweck dieser Zeitschrift" in der von ihm zusammen mit Karl Friedrich Eichborn gegriindeten Zeitschrift fiir geschichtliche Rechtswissenschaft, Bd. 1, 1815 ( =Thibaut und Savigny, S. 261): „Die eine dieser Schulen ist dutch den Namen der geschichtlichen hinlänglich bezeichnet. Fiir die andere dagegen ist ein positiver Name kaum zu finden möglich, indem sie in sich nur in dem Widerspruch gegen die erste eins ist, auBerdem aber in den verschiedensten und widersprechendsten Formen auftritt, und sich bald als Philosophic und Naturrecht, bald als gesunden Menschenverstand ankiindigt. Wir wollen sie daher in Ermanglung eines andern Ausdrucks die ungeschichtliche Schule nennen.“ 16

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