Från privilegiesystem till patent 89 Dem Geist der Zeit entsprechend wurde das Privilegiensystem in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zum Gegenstand der Kritik. Als Folge dieser Kritik und der anschliefienden Debatte wurde 1819 eine neue Verordnung iiber privilegia exclusiva erlassen. Mit dieser neuen Verordnung war man jedoch nicht zufrieden, und fiinfzehn Jahre später, 1834, erging die erste schwedische Patentverordnung. Die Strukturänderung und Entwicklung der Wirtschaft machte allerdings schon bald eine neue Patentverordnung erforderlich, die 1856 erlassen wurde. Naheliegend und natiirlich war, daB man sich bei der Regelung des Patentrechts in Schweden im 19. Jahrhundert von einschlägiger ausländischer Gesetzgebung leiten lieB. Dementsprechend findet man schon in der Verordnung von 1819 sowohl englische als auch französische Einfliisse. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stand das Rechtsinstitut des Patents etwa 25 Jahre lang in ganz Europa im Blickpunkt des Interesses. Den Grund dieses Interesses bildeten die zunehmend beachteten Ansichten des Liberalismus iiber individuelle Freiheit, Gewerbefreiheit und Freihandel. Die Vertreter dieser Gedanken sahen völlig folgerichtig im Institut des Patents einen Eingriff in die Individualfreiheit. Auch den Freihandelsvertretern miBfiel das Patent. Als Konsequenz entstand eine heftige Diskussion — vor allem auf dem Kontinent — iiber das Sein oder Nichtsein des Patents, die u.a. dazu fiihrte, daB in Holland das Patentgesetz aufgehoben wurde. GroBe Bedeutung fiir das Patent als Rechtsinstitut erhielten die internationalen Kongresse nach 1873. Sie bildeten eine Reaktion auf die Antipatentbewegung und fiihrten zu einer Konzentration der Kräfte auf Versuche, Patentfragen im Rahmen der nationalen Gesetzgebungen der verschiedenen Staaten einheitlich zu regeln, die dann ihrerseits in vielen Ländern Reformarbeiten zur Neugestaltung der Patentgesetzgebung imSinne der Kongresse auslösten. Im skandinavischen Norden versuchte man, den Weg gemeinsamer nordischer Gesetzgebung einzuschlagen; es zeigte sich aber, daB die Ansichten iiber vitale Patentrechtsfragen in den verschiedenen nordischen Ländern so weit auseinander gingen, daB keine Einigung möglich war. Die wirtschaftliche und technische Entwicklung des 19. Jahrhunderts fiihrte zur Bildung neuer Gesellschaftsgruppierungen, die sich auf verschiedenen Gebieten der alten Ständegesellschaft durchzusetzen versuchten. Fiir das Patentrecht wurden die immer v/ieder von Technikern und Erfindern in ihren Zeitschriften gefiihrten Diskussionen iiber Patentfragen auBerordentlich bedeutungsvoll. Man bezeichnete das geltende Patentrecht als unmodern und unpraktisch. Man stellte die amerikanische Patentgesetzgebung als vorbildlich dar und wandte sich gegen die »Herrschaft der Juristen» in Fragen der Ausgestaltung der schwedischen Patentgesetzgebung. An theoretischen Erörterungen iiber das Patent war man nicht interessiert, sondern forderte eine funktionale Gesetzgebung mit möglichst weitgehender internationaler Ankniipfung. Der höchste Wunsch der Techniker ging dahin, unmittelbar auf die Gesetzgebung EinfluB nehmen zu können — ein Wunsch, der teilweise auch verwirklicht werden konnte. In Deutschland wurden dagegen theoretische Diskussionen uber das Patentrecht im Geiste der deutschen Rechtswissenschaft gefiihrt. Man versuchte, den Ståndort des Patents im Rechtssystem auf verschiedene Weise zu erklären, und es entwickelte sich eine umfangreiche Lehre zu diesem Thema. Bemerkenswert ist hier, daB vergleichbare Diskussionen in Schweden nur in geringem Umfang gefiihrt worden sind und daB man in der eigentlichen Gesetzgebung keinerlei
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