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reinhard härtel lichen Notizen ungleich breitere Bevölkerungsschichten als dies die förmlichen Urkunden tun. Diese Traditionsbücher fehlen im Süden vollkommen. Bald nach 1200 verlieren die Traditionsbücher auch im Norden massiv an Bedeutung, was folgerichtig zur Annäherung der Überlieferungszahlen von Norden und Süden führt. Die zeitliche Verteilung der erhaltenen Dokumentation ist also mit der räumlichen eng verquickt. Die angegebenen Urkundenzahlen sind mit gutem Grund stark gerundet. Denn zwischen ‚wirklichen’ letztwilligen Verfügungen und anderen Rechtsgeschäften gibt es erhebliche Grauzonen, und die vielfach unklare Terminologie der Dokumentation erschwert diese Abgrenzung noch zusätzlich, angefangen mit der Anwendung des Begriffs ‚Testament‘11.Die Erörterung dieser Grauzonen führt zugleich in die Materie selbst. Bei den untersuchten Zeugnissen geht es nicht um Testamente im ursprünglichen (römischen) Wortsinn und damit nicht um umfassende Nachlass-Regelungen mit Einsetzung eines oder mehrerer Erben, sondern bestenfalls um elterlich festgelegte Teilungen oder um Bündel von Vermächtnissen. Überwiegend handelt es sich um Schenkungen einzelner Güter auf den Todesfall oder um verwandte Rechtsgeschäfte mit den verschiedensten Vorbehalten (zumeist Nutzungsrechten) zugunsten von Ehefrau, Kindern, gegebenenfalls auch Enkeln oder weiteren Personen.12 Derartige Vorbehalte kommen aber auch bei schlichten Güterübertragungen unter Lebenden vor. Aber wie bei den Schenkungen auf den Todesfall sind solche Vorbehalte auch in solchen Fällen als (partielle) letztwillige Verfügungen zu werten. 11 Dass mit einemtestamentumkeineswegs ein Testament im heutigen Sinn gemeint sein muss und umgekehrt zahlreiche Testamente nicht als testamentumbezeichnet sind, ist hierbei nur die Spitze eines Eisberges. 12 Diese Begünstigten konnten das betreffende Gut allerdings nur mit gewissen Einschränkungen nutzen. Das entspricht dem, was im deutschrechtlichen Bereich auch sonst üblich war. Erbeanwart- und Beispruchsrechte blieben dort noch lange unangetastet; entsprechende Zustimmungserklärungen von Ehegatten und Kindern waren für die Gültigkeit letztwilliger Verfügungen noch lange erforderlich. 85 Grauzonen

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