den soll, ist Rechtswissenschaft. Dies ist nun kein mystischer, sondern ein höchst rationalerVorgang. Er setzt dieVorstellung einer Übertragbarkeit wissenschaftlicher Methoden auf ein anderes Recht voraus. Für Savigny hängtWissenschaftlichkeit nicht ausschließlich mit einem bestimmten Recht oder dessen Erzeugung zusammen. So schildert er 1840im1. Band seines „System des heutigen Römischen Rechts“, anknüpfend an sein sog. „Spezialistendogma“, den besonderen „Beruf des Juristenstandes“: Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf das Recht „wirkt auf den Stoff zurück“, verändert also das betreffende Recht. Hier tritt nun klar zutage, daß sich Savigny keineswegs auf dieVorstellung von einer Rezeption etwa römischen oder preußischen Rechts im Ausland bezogen hat.Denn die notwendigeVeränderung von Recht durch dessen Verwissenschaftlichung ist etwas grundsätzlich anderes als die Rezeption bestimmter Regelungen.Die Erwägung einer solchen Übernahme von Einrichtungen des römischen Rechts in das Zarenreich wäre von ungleich schärferer Brisanz gewesen, insbesondere im Dezember 1834, als, wie gesehen, das Inkrafttreten des fertiggestellten Svod Zakonov unmittelbar bevorstand. SavignysVorstellung von der Übertragbarkeit des spezifisch wissenschaftlichen Umgangs mit dem Recht hängt vielmehr mit einem Standpunkt zusammen, der im Kern bereits im Programm von 1814 angelegt und dadurch gekennzeichnet ist, daß Savigny ein neuesVerständnis von Rechtswissenschaft an die Stelle der früheren Jurisprudenz treten läßt. Er unterscheidet hier zwischen der Erzeugung des Rechts überhaupt und der wissenschaftlichen Behandlung desselben. Diese re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 80 254 Savigny, System, Bd. 1 (o. Fn. 151), S. 46 f., Hervorhebung von mir (M.A.). „Man kann [...] bey dem Juristenstand eine zwiefache Wirksamkeit unterscheiden: eine materielle, indem sich die rechtserzeugende Thätigkeit des Volks großentheils in ihn zurückzieht, und von ihm, als dem Repräsentanten des Ganzen, fortwährend geübt wird: und eine formelle, rein wissenschaftliche, indem von ihm das Recht überhaupt, wie es auch entstanden seyn möge, in wissenschaftlicherWeise zum Bewußtseyn gebracht und dargestellt wird. In dieser letzten Function erscheint die Wirksamkeit der Juristen zunächst als eine abhängige, ihren Stoff von außen empfangende. Indessen entsteht durch die dem Stoff gegebene wissenschaftliche Form, welche seine inwohnende Einheit zu enthüllen und zu vollenden strebt, ein neues organisches Leben, welches bildend auf den Stoff selbst zurück wirkt, so daß auch aus derWissenschaft als solcher eine neue Art der Rechtserzeugung unaufhaltsam hervorgeht.“254
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