Nun endete die offiziöse Herrschaft der religiös-schwärmerischen Vorstellungen noch zu Lebzeiten Alexanders I. Die Herrnhuter wurden 1822 mit einem Missionsverbot belegt,249 Goßner 1824 wieder ausgewiesen. Entschiedener noch beendete dann Nikolaus I. die Zeit der religiösenToleranz und unterwarf alle nichtorthodoxen Bekenntnisse Beschränkungen und Kontrollen.250 Er ließ 1826 die russische Bibelgesellschaft schließen und leitete die Organisation einer evangelischen Reichskirche durch das Kirchengesetz von 1832 ein. Die personelle Kontinuität in den verantwortlichen Stellungen bewirkte allerdings, daß die einmal etablierte Religiosität der Erweckungsbewegung latent fortwirkte. Speranskij z.B., der maßgebliche Gestalter der Kodifikationsarbeiten, hatte seinen Mystizismus seit der Zeit seinerVerbannung aus Sankt Petersburg vertieft.251 Baader konnte auch unter den Bedingungen des nikolaitischen Systems ausgezeichnete Kontakte pflegen.252 Und auch die Missionstätigkeit wurde, wenngleich sie Restriktionen unterworfen war, von den Kolonien aus fortgesetzt, z.B. durch die Basler Mission, die seit 1822im Süden des Zarenreiches tätig war.253 So bestanden Kolonien und Mission in ihrer spezifischenVerbindung als fester Bestandteil der russischen Erfahrungswelt fort, und es blieb – worauf es hier ankommt – die damit verbundene Begrifflichkeit im Bewußtsein verhaftet. Was dem Zarenreich nach der Formulierung des Briefes vom9. Dezember 1834 imWege von Mission und Kolonisation vermittelt wermart i n ave nar i u s 79 249 Teigeler, Die Herrnhuter (o. Fn. 237), S. 425. 250 H.-J. Krautheim/L. Kölm, Das konservative Prinzip: Die Herrschaft Nikolaus‘ I. (1825-1855), in: Handbuch der Geschichte Rußlands, Bd. 2, hrsg. von K. Zernack, 2. Halbbd. (2001), S. 1057-1099 (1089-1092 mit Nachweisen). 251 Walicki, History (o. Fn. 20), S. 74. 252 H. Grassl,Art. Baader, Benedikt Franz Xaver v., in:Neue Deutsche Biographie, Bd. 1 (1953), S. 474-476 (475).Vgl. den Entwurf eines Begleitschreibens und einer Denkschrift („Die Sendung der russischen Kirche in Bezug auf den Verfall des Christentums imWesten“), die Baader im März 1841 an denVolksaufklärungsminister S. Uvarov richtete, in: D.Tschižewskij/D. Groh (Hrsg.), Europa und Russland.Texte zum Problem des westeuropäischen und russischen Selbstverständnisses (1959), S. 99-104. 253 E.-M.Auch, ZumWirken deutscher Missionare in den kaukasischen Südprovinzen des Russischen Reiches, in: M. Beer/D. Dahlmann (Hrsg.), Migration nach Ost- und Südosteuropa vom18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (1999), S. 245-262 (255-262). f ) Rußlands Bedeutung für die Erweckungsbewegung
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