Auffassung setzt sich viele Jahre später in jener fort, die Savigny 1834, also zur Zeit des Briefes an Balug’janskij, gegenüber Ringseis als seine „Lieblingsüberzeugung“ bezeichnete, daß nämlich: Was Savigny hier beschreibt, ist nach seiner Überzeugung eineVorbedingung für den Zugang zum Offenbarten. Es handelt sich nach seiner Vorstellung um eine Voraussetzung für die praktische wissenschaftliche Arbeit, sie kann diese aber selbstverständlich nicht ersetzen. Die Praxis ist vielmehr durch Methode bestimmt. Savigny hatte bekanntlich erklärt, die Rechtswissenschaft müsse den gesamten Rechtsstoff historisch behandeln.207 Dabei umfaßt „historisch“ die Entwicklung des Rechts inVergangenheit und Gegenwart in seinem „organischen“ Zusammenhang.208 Geschichtliche Rechtswissenschaft bedeutet insoweit wissenschaftliches Denken aus dem historisch gewachsenen Recht heraus.209 Auf das Recht mit seinen einzelnen Regelungen bezieht sich die Vorstellung von einem göttlichen Ursprung des Rechts also keire cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 70 Brief an F. H. Ch. Schwarz vom10.10.1815, in: H. Kantorowicz, Savignybriefe (o. Fn. 147), S. 105. 206 Savigny, Brief an J. N. Ringseis vom28.2.1834, bei Pfülf, Savigny und die Dinge in Bayern (o. Fn. 132), S. 201. 207 Savigny,Vom Beruf unsrer Zeit (o. Fn. 61), s. 24, 78 f., 113, 115 und 117; ders., Rezension Gönner (o. Fn. 62), S. 374 ff.. 208 Strauch, Recht (o. Fn. 159), S. 52 mit Nachweisen. 209 Vgl.Avenarius, Der Allgemeine Teil des Obligationenrechts (o. Fn. 72), S. 7. 210 Was sich aus rechtshistorischer Sicht insoweit klar ergibt und, soweit ersichtlich, allgemein anerkannt ist, konnte sich aus der Sicht eines zeitgenössischen Mystikers freilich anders ausnehmen. Schubert (Der Erwerb [o. Fn. 182], S. 194) nahm Savignys Bezugnahme auf die Gesetzestafeln und das goldene Kalb (Vom Beruf unsrer Zeit [o. Fn.61], S. 134) zumAnlaß für die Bemerkung: „Savigny hat mit der Geschichte des menschlichen Rechtes und seiner Gesetze, die am Sinai ihren Anfang nimmt, zugleich die eines göttlichen Rechtes lebendig erfaßt, welchem auf Golgatha seine vollkräftige Genüge geschehen ist.“ „im ganzen Leben, in Wissenschaft, Kunst, Regieren, die Erfolge weit mehr, als man denkt, von dem religiös-sittlichen Kern des Menschen abhängen, der relative Anteil also, den an diesen Erfolgen das einzelneTalent, das Technische im Menschen (also die Natur) hat, weit geringer angeschlagen werden muß.Wenn ich von der sittlichen Natur des Menschen rede, meine ich nicht dieVortrefflichkeit, keinWeinsäufer zu sein, sondern das sittlicheVerhalten gerade zu dem Beruf, den uns Gott anvertraut hat, also die gesammelte, intensive Kraft der Seele, die Selbstverleugnung, die hingebende Liebe zum Beruf, deren rechtes Siegel nur in dem Gefühl liegt, daß wir Gottes Amt führen in jeglichem Beruf.“206
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