Im übrigen stand Balug’janskij mit Rücksicht auf seine eigene Vorbildung gleichsam zwischen der gebenden und der empfangenden Seite.Verglichen mit Speranskij nahm er insoweit als Förderer der Modernisation im Zarenreich eine womöglich noch ausgeprägtere Sonderstellung ein. Dies ergibt sich vor dem Hintergrund, daß Herkunft und Werdegang Balug’janskijs im Spannungsfeld zwischen slavischer, „deutscher“ – also deutsch-österreichischer – und ungarischer Kultur diesen Juristen in besonderer Weise zum Vermittler zwischen den Rechtskulturen hatten werden lassen. Geboren 1769, stammte er aus einer karpatenrussinischen, aber inzwischen madjarisierten Familie in der damals zu Ungarn gehörenden Slovakei.137 Er hatte zunächst Philosophie in Kaschau (Košice) studiert, bevor er zum Studium der Rechtswissenschaft nachWien wechselte.138 Dort wurde Balug’janskij Schüler des Professors für Polizei- und Kameralwissenschaft Joseph von Sonnenfels (1732-1817), eines Förderers von Justiz- und Verwaltungsreformen im Geiste des aufgeklärten Absolutismus.139 Seine Sture cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 56 (o. Fn. 112), S. 75 und Avenarius, Das Russische Seminar (o. Fn. 89), S. 893-908 (898). Daß die Kritik teilweise durchaus substantiiert vorgetragen wurde, zeigt nun Kartsov, Das Russische Seminar (o. Fn. 89), S. 326-329. 137 Aus diesem Grunde finden sich in der Literatur verschiedene Schreibweisen des Namens. Die ungarische Namensform lautet „Balugyánszky“; die verschiedentlich belegte russinische FassungБалудянскый(„Baludjanskyj“) geht auf eineTranskription dieser Form mit Rücksicht auf die ungarische Aussprache zurück.Vgl. Kosačevskaja, M.A. Balug’janskij (o. Fn. 28), s. 43. Kolportiert wurde dieVorstellung, Balug’janskij verstehe fast alle europäischen Sprachen, spreche allerdings keine einzige gut, ausgenommen vielleicht die ungarische; J. v. Grünewaldt, Erzählungen eines Augenzeugen aus der Geschichte der Codification des Provinzialrechts, in: Baltische Monatsschrift 29 (1882), S. 15-43 (20); vgl. bereits ähnlich die Erinnerungen des Thronfolgers Nikolaus (oben S. 27). Diese erstaunliche Einschätzung dürfte damit zusammenhängen, daß Balug’janskijs Muttersprache, das Russinische, aus russischer Sicht lange Zeit nicht als selbständige, eigenen Regeln gehorchende Sprache, sondern als unbedeutender Provinzdialekt wahrgenommen wurde, zumal es eng mit dem Ukrainischen verwandt ist, welches wiederum im 19. Jahrhundert zurückgedrängt und in seiner Eigenständigkeit bestritten wurde. Dazu M. Stegherr,Rusinisch, in:M.Okuka (Hrsg.), Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (2002), S. 399-408 sowie A. D. Duličenko, Das Russinische, in: P. Rehder (Hrsg.), Einführung in die slavischen Sprachen, 3.Aufl. (1998), S. 127140 (135-137).Vgl. schließlich die bei Kazantsev referierte zeitgenössischeWahrnehmung Balug’janskijs und einiger Landsleute als „Karpato-Russen“; Geschichte (o. Fn. 28), S. 146. 138 Maurer, Hochschullehrer (o. Fn. 37), S. 169. 139 W. Brauneder,Art. Sonnenfels, Joseph von (1732/34-1817), in: Stolleis (Hrsg.), Juristen (o. Fn. 111), S. 577-579.
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