te Naturrecht, das an der Berliner Fakultät auch stark vertreten war, wurde aus dem Studienplan verbannt. Die diesbezüglichenVorlesungen von Theodor Schmalz sowie von dem Hegelianer Eduard Gans, Savignys persönlichem Gegner an der Fakultät, wurden von seiten der Organisatoren des Studiengangs überhaupt nicht in Betracht gezogen.71 Im Mittelpunkt des Interesses standen, wie wir gesehen haben, die Methoden der Rechtsanwendung, also die „technischen“ Fertigkeiten, deren der Jurist im Gesetzesstaat bedurfte. Das Lehrangebot, das die Stipendiaten in Berlin durchliefen, ging über diesen Zweck allerdings weit hinaus. Sieht man von Rudorffs Lehrveranstaltungen ab, die zumindest teilweise mit Rücksicht auf den begrenzten Kenntnisstand der Russen eingerichtet worden waren, hatten die Stipendiaten keinen speziell konzipierten Unterricht, in dessen Rahmen sie etwa in besonderer Weise zu Gesetzesvollstreckern ausgebildet worden wären. Die Stipendiaten nahmen vielmehr, wie wir gesehen haben, überwiegend an den regulären Lehrveranstaltungen teil und gerieten zusammen mit ihren deutschen Kommilitonen unter den Einfluß einer Lehre, die stark mit dem spezifisch wissenschaftlichen Rechtsdenken verschränkt war. Herausragend für diese Tendenz war gerade Savigny. Dieser verzichtete in seinem Rechtsunterricht auf das üblicheVerfahren der frontalen Stoffpräsentation und ließ seine Hörer – für die russischen Stipendiaten völlig ungewohnt – am wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß teilhaben, indem er sie in die Methoden des Umgangs mit dem geltenden Recht aus den Quellen und in die argumentative Auseinandersetzung mit verschiedenen juristischen Standpunkten einführte.72 So bot sich den Stipendiaten die Möglichkeit, Grundsätze des spezifisch wissenschaftlichen Umgang mit dem Recht zu erlernen, die sie anschließend womöglich auf den Umgang mit dem russischen Recht übertragen konnten. Die Organisatoren der Studienaufenthalte sahen die Erreichung der von ihnen verfolgten Ziele dadurch begünstigt. mart i n ave nar i u s 35 71 Im übrigen nahmen die Stipendiaten durchaus an Lehrveranstaltungen dieser Rechtslehrer teil. So ist z.B. für Petr Redkin bekannt, daß er bei Eduard Gans hörte. 72 Vgl. M.Avenarius, Der Allgemeine Teil des Obligationenrechts aus Savignys Pandektenmanuskript, in: F. C. v. Savigny, Pandekten. Obligationenrecht,Allgemeiner Teil.Nach SavignysVorlesungsmanuskript herausgegeben von M.Avenarius (2008), S. 1-34 (5 f.).
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