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Savigny hat sich dafür eingesetzt, daß auch die neugegründete Berliner Juristenfakultät sofort ein Spruchkollegium bekam,61 und schreibt 1819:„Das praktische juristische Arbeiten... ist mir von jeher sehr anziehend gewesen, ich gewinne dabey wesentlich an erweitertem Gesichtskreis für meineWissenschaft“.62 Erst nach1879 lösen sich die Spruchkollegien auf - nicht weil sie von derWissenschaft abgelehnt wurden,63 sondern weil für sie in der reichseinheitlichen Gerichtsverfassung kein Platz mehr war. Heute sind sie allerdings nur noch Geschichte, und die gelegentlich abgehaltenen Prozeßspiele (moot-courts) nur ein schattenhafter Ersatz. Schon immer und bis heute finden sich aber individuelleVerbindungen von Professoren- und Richteramt. Seit dem16. Jahrhundert ist die Kombination von Professoren- und Richterberuf oder der Wechsel von dem einen in den anderen häufig und setzt sich auch im19. und 20. Jahrhundert fort. In der frühen Neuzeit sind von bekannteren Namen zum Beispiel zu nennen: Berger, Carpzov, Cocceji, Hommel, Leyser,Mevius,Mynsinger, Senckenberg und Struve.64 Im19. Jahrhundert fällt auf, daß gerade die herausragenden Richterstellen häufig mit Professoren besetzt wurden. Bevor das Reichsgericht gegründet wurde, galt das Lübecker Oberappellationsgericht für die vier Freien Städte als das angesehenste deutsche Gericht: seine Präsidenten waren ausschließlich Professoren, nämlich nacheinander Heise,Wächter und Kierulff. Erster Präsident des Reichsgerichts wurde mit Eduard von Simson gleichfalls ein Professor. Betrachtet man die Dinge von den Personen und den juristischen Fakultäten her, so waren die beiden bedeutendsten Rechtsgelehrten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nämlich Savigny und Feuerbach, zugleich bzw. später Richter. Auch Savignys Lehrstuhlnachfolger Puchta und Keller hatten Richterämter inne, re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 332 nissen und Briefen,Teil 2: Briefwechsel, Frankfurt am Main etc.1982, s. 126und127132 (131). 61 A. Stoll (Fn. 44), s. 8 f. 62 Brief an Achim von Arnim vom30.Mai 1819, in,A. Stoll (Fn. 44), s. 256-258 (257). 63 Die juristischen Fakultäten von Halle, Leipzig und Jena baten1868sogar in gleichlautenden Eingaben ausdrücklich um die Aufrechterhaltung der Aktenversendung in der zukünftigen Gerichtsverfassung (G. Buchda [Fn. 58], Sp. 86; Bernd Schildt, Die Spruchtätigkeit der Halleschen Juristenfakultät nach demWiener Kongreß, Jur. Diss. Halle 1980 [masch.], s. 56). 64 Vgl. die jeweiligen biographischen Angaben in Gerd Kleinheyer/Jan Schröder (Hrsg.), Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 5.Aufl., Heidelberg 2008.

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