ist er, was wenig bekannt zu sein scheint, von vornherein vermieden oder früher ausgemerzt worden. So nahmen in Bayern seit 1830nur die Professoren der jeweiligen Juristenfakultät die Eingangsprüfung für den Staatsdienst ab. InWürttemberg lag die Durchführung der ersten Dienstprüfung seit 1833 fast ausschließlich bei der Tübinger Juristenfakultät, und in Sachsen waren Mitglieder der Kommission für das erste juristische Staatsexamen seit 1859 nur die Leipziger Rechtsprofessoren.56 1864 entschloß man sich dann endlich auch in Preußen dazu, die Prüfungskommissionen wenigstens zur Hälfte mit Professoren zu besetzen57 und damit die innereVerbindung zwischenTheorie und Praxis wieder herzustellen. So ist es bis heute geblieben. Das erste Staatsexamen ist dadurch zu einer wissenschaftlich ernstzunehmenden Prüfung mit großer Selektionskraftgeworden. Es bildet die Nahtstelle zwischen der theoretischen und der praktischen Ausbildung, indem es nicht nur als Staatseingangs-, sondern auch als UniversitätsabschlußPrüfung fungiert. Damit kann ich auch Frage (3) abschließend beantworten. Das Selbstverständnis der deutschen Rechtstheorie spiegelt sich auch in der Juristenausbildung und im Prüfungswesen wider. Das Recht (dieTheorie) wird an den Universitäten gelehrt, seine Anwendung jedoch in der gerichtlichen, administrativen, anwaltlichen usw. Praxis. Die deutsche Besonderheit gegenüber den meisten anderen Ländern liegt aber darin, daß Universitäts- und Praxisausbildung miteinander verknüpft sind: indem die Praxis-Eingangsprüfung (das 1. Staatsexamen) zugleich eine Universitäts-Ausgangsprüfung darstellt, indem alle zukünftigen „Voll“- Juristen bis zum2. Staatsexamen denselbenAusbildungsgang durchlaufen und indem sie dann ohne weitere Prüfung für jeden juristischen Beruf qualifiziert sind. Als Rechtshistoriker möchte ich hier dieses System nicht bewerten. Seine Vorteile werden darin gesehen, daß die Prüfungen selektionskräftig und ihre Ergebnisse deutschlandweit vergleichbar sind, daß die berufliche Flexibilität aller Juristen auch nach der Praxisphase erhalten bleibt und daß sich keine abgeschlossenen juristischen Kasten (Berufsgruppen) bilden.Man beklagt aber auch Nachteile, wie das Repetitorwesen und das Massenproblem.Wie lange sich das traditionelle System re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 330 56 Zu Bayern J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 249f.; zuWürttemberg J. Penz (Fn. 49), s. 116; zu Sachsen E. Friedberg (Fn. 49), s. 102 f. 57 I. Ebert (Fn. 46), s. 43.
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