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Für das Prüfungssystem müßte sich nun eigentlich Folgendes ergeben: In der Hand der Universitäten liegt die theoretische Ausbildung, die mit einem theoretischen Examen abschließt. Zur praktischen Anleitung und Prüfung sind dagegen die einzelnen Institutionen der Rechtspraxis, also Gerichte,Verwaltungsbehörden, Rechtsanwälte usw. berufen. Dieses System einer strengenTrennung zwischen Universitätsabschluß und praktischer Ausbildung und Prüfung herrscht inzwischen wohl in den meisten Industriestaaten derWelt. In Deutschland haben sich die Dinge aber etwas anders entwickelt. Zwar sind auch hier die Zuständigkeiten für die theoretische und die praktische Ausbildung scharf getrennt.Aber alle Ausbildungsteile sind durch ein staatliches, „zweistufiges“ Ausbildungs- und Prüfungssystem verknüpft, an dessen Ende jeder Absolvent für jeden juristischen Beruf qualifiziert sein soll. Dieses heutige deutsche System bildet sich seit dem späten18. Jahrhundert aus. Es verdankt seine Entstehung dem zunehmenden Bedarf an Eingangsprüfungen, vor allem für dieTätigkeit an höheren Gerichten. Zwar gab es auch Universitätsprüfungen (Bacalaureat, Lizentiat und Doktorat, von denen nur das Doktorat das 18. Jahrhundert überlebt hat).49 Aber sie reichten dem Staat für die Praxis offenbar nicht aus, und wurden von vielen Rechtsstudenten auch gar nicht absolviert.50 So entsteht in Preußen 1781 ein zunächst dreistufiges System, von staaatlichen Prüfungen und Praxisvorbereitungen.51 Es beginnt mit einer ersten („Auskultator“-)Prüfung und führt dann nach mehrjähriger praktischer Ausbildung über die Referendar- und Assessorprüfung zur Qualifizierung für alle Justiz-Berufe. Später fällt das Auskultatorexamen weg und die (jetzt) zweistufige Ausbildung wird nach der Reichsgründung1879für ganz Deutschland verbindlich. Das Assessorexamen qualifiziert nun den jungen Juristen in ganz Deutschre cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 328 49 Dazu A. Seifert (Fn. 42), s. 269-271. Das Bakkalaureatsexamen scheint an den juristischen Fakultäten meistens schon im17. Jahrhundert verschwunden zu sein (a. a. O. S. 270, vgl. für Tübingen auch Jürgen Penz, Die Geschichte der Juris-tenausbildung inWürttemberg, unter besonderer Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts, Jur. Diss. Freiburg i. Br., 1985, S.23).Dagegen hat es sich z. B. in Leipzig bis in das 18. Jahrhundert gehalten (vgl. die Listen bei Emil Friedberg, Die Leipziger Juristenfakultät, ihre Doktoren und ihr Heim, Lepzig1909, S.186ff.), während dort das Lizentiat zu dieser Zeit offenbar schon unüblich geworden war. 50 Siehe A. Seifert (Fn. 42), s., 220. b) Prüfungssystem und praktische Berufsvorbereitung

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