Die deutsche Rechtstheorie ist, wie ich oben gezeigt habe, immer eine Theorie des anwendbaren Rechts gewesen. Das spiegelt sich auch in der Juristenausbildung seit vielen Jahrhunderten wider. Seit es Universitäten und juristische Fakultäten in Deutschland gibt (die ersten Gründungen fallen in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts), stand die Ausbildung im geltenden Recht im Mittelpunkt.42 Allerdings wurden die Schwerpunkte je nach dem Selbstverständnis der Rechtstheorie unterschiedlich gesetzt. So hatte es das einheimische deutsche Recht bis zum20. Jahrhundert schwer, sich in der Universitätsausbildung neben dem gelehrten römischen und kanonischen Recht zu etablieren.43 Vor allem die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts hielt das römische Recht für wissenschaftlicher als die Landesrechte und vernachlässigte diese im Lehrbetrieb der Universitäten. Zum Beispiel galt im Preußen des 19. Jahrhunderts praktisch zwar überwiegend das Allgemeine Landrecht von 1794 und nur noch vereinzelt das römisch-gemeine Recht.Trotzdem beherrschte das römische Recht den Rechtsunterricht. Das allgemeine Landrecht wurde als unwissenschaftlich betrachtet; Savigny hatte es sogar als „eine solche Sudeley“ bezeichnet.44 Trotz wiederholterVersuche (auch von Savigny selbst45) konnte es an den preußischen Universitäten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 326 42 Zusammenfassend Arno Seifert, Das höhere Schulwesen: Universitäten und Gymnasien, in, N. Hammerstein (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Band I: 15. bis 17. Jahrhundert, München 1996, S. 197-374 (212 f.); Helmut Coing, Die juristische Fakultät und ihr Lehrprogramm, in ders. (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,2. Band:Neuere Zeit,München 1977, s. 3-102. 43 Umfassend dazu jetzt Frank L. Schaefer, Juristische Germanistik, Frankfurt am Main 2008. 44 Brief an Achim von Arnim vom22. 11. 1816, in:Adolf Stoll, Friedrich Karl v. Savigny. Ein Bild seines Lebens mit einer Sammlung seiner Briefe, 2. Band: Professorenjahre in Berlin 1810-1842, s. 210. 45 Nachschriften seiner Landrechtsvorlesungen sind1994/1998 gedruckt erschienen: ChristianWollschläger (Hrsg., in Zusammenarbeit mit M. Ishibe, R. Noda und D. i i . re cht s p rax i s : d i e b e de utung de r b e cht sth e or i e i n de r j ur i ste nau s b i l dung und i n de r anwe ndung de s re cht s s e i t dem 18 . jahrhunde rt 1. Juristenausbildung a) Ausbildung an den Universitäten
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