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law“, sondern bleibt ein Land des kodifizierten Rechts.Aber das Ansehen der Rechtsprechung wächst zu Lasten der Rechtswissenschaft. Hatte im frühen19. Jahrhundert die Rechtswissenschaft eindeutigVorrang vor der Rechtsprechung, so kehrt sich das im20. Jahrhundert allmählich um. Geblieben ist es dagegen, wie ich meine, bei der Eliminierung der „praktischen Jurisprudenz“ aus der Rechtstheorie.Auch die modernen Einführungen in die Rechtswissenschaft rechnen Anleitungen zum berufspraktischen Handeln, sei es des Richters, des Notars, desVerwaltungsbeamten usw., nicht zu denTeilen Rechtswissenschaft.41 Die entsprechenden Lehrbücher stammen, mit wenigen Ausnahmen, nach wie vor von Praktikern und nicht von Rechtswissenschaftlern, also Universitätsprofessoren. „Wissenschaftlicher“ Charakter wird ihnen auch heute nicht beigemessen. Darin spiegelt sich die fortdauernde Unterscheidung zwischen den „Systemen“ der „Wissenschaft“ und der “Praxis“ wider. Zusammenfassend ist (als Antwort auf Frage 2) festzuhalten: Die deutsche (dogmatische) Rechtstheorie versteht sich in der frühen Neuzeit als „Jurisprudenz“ (Rechtsklugheit), die methodisch keinen produktiven Anspruch erhebt und nach und nach auch berufspraktische Anleitungen einbezieht. Im19. Jahrhundert wandelt sie sich zur “Rechtswissenschaft” um. Sie eliminiert jetzt die praktischen, “technischen” Anleitungen aus der Rechtstheorie und behauptet, auch neues Recht entdecken zu können. Diesen letzten Anspruch hat die moderne Rechtstheorie wieder aufgegeben; sie schließt aber nach wie vor berufspraktische Anleitungen aus der Rechtstheorie aus.Man kann sagen, sie nimmt eine mittlere Position zwischen der praxisorientierten Jurisprudenz des 18. und der „Rechtswissenschaft“ des 19. Jahrhunderts ein. jan schröde r 325 der, „Richterrecht“ und Rechtsbegriff im frühen 20. Jahrhundert, in: Klaus Peter Berger u. a. (Hrsg.), Zivil- undWirtschaftsrecht im Europäischen und Globalen Kontext. Festschrift für Norbert Horn zum70. Geburtstag, Berlin 2006, S. 1255-1270. 41 So finden sich etwa die Stichwörter „Kautelarjurisprudenz“, „Relationstechnik“, „Vertragsgestaltung“ nicht im Register der „Einführung in die Rechtswissenschaft“ von Jürgen Baumann, 8.Aufl., München 1989; Gunther Arzt, Neuwied etc. 1996, und Johann Braun, 2.Aufl.,Tübingen 2001. b) Umfang: Unzugehörigkeit der „praktischen Jurisprudenz“zur Rechtstheorie

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