Praxisanleitungen allmählich ganz aus den Darstellungen der Rechtswissenschaft. Den neuen Standpunkt faßt 1825 Nikolaus Falck, der Verfasser der zwischen1820und1850führenden juristischen Enzyklopädie zusammen. Es sei, so schreibt er, „dem Sprachgebauch zuwider, den Inbegriff von Kunstregeln oder praktische Kenntnisse eine praktischeWissenschaft zu nennen“. Kunstregeln seien „von dem Gebiete der Rechtswissenschaft schon durch den Begriff derselben ausgeschlossen, und können also auch nicht den praktischen Theil der Rechtswissenschaft ausmachen“.28 Auch hinter dieser Entwicklung steht die erkenntnistheoretische Umwälzung durch Kant und seine Nachfolger.Wenn dieWissenschaft selbst ein objektives System bildet, in dem die Dinge in bestimmter Weise zusammenhängen, dann können die praktischen Folgerungen aus den einzelnen wissenschaftlichen Begriffen und Prinzipien nicht mehr eine selbständigeWissenschaft ausmachen.29 Das System derWissenschaft hebt sich nun deutlich (auch soziologisch) von anderen objektiven Gegebenheiten, der Technik, der Praxis ab.Was vorher, als Wissen, Klugheit, Können, im Subjekt verbunden war, tritt nun als objektiveWissenschaft,Technik, Praxis auseinander.Wenn man (wie fast überall im frühen19. Jahrhundert) „reine“Wissenschaft und „Wissenschaftlichkeit“ verlangte, dann hatten die berufspraktischen Regeln in der Theorie nichts mehr zu suchen. Das wird auch durch veränderte logisch-psychologischeVorstellungen gestützt.Nach der neuenAuffassung ist die Lehre über die Anwendung von Regeln auf das praktische Problem nicht mehr wesensgleich mit der Lehre der Regeln selbst.30 Kant weist darauf hin, daß das Einzelne immer nur sinnlich, in der Anschauung erfaßt wird. Deshalb ist die Subsumtion, d. h. der Übergang vomAllgemeinen, von der Regel, zum Einzelnen, Sinnlichen verstandesmäßig nicht möglich. Es liegt in ihr vielmehr ein Hinausgehen aus dem Begriff und der Regel auf die ganz andere Ebene der Anschauung.Mit Regeln ist hier nichts zu bejan schröde r 321 Band, welcher als allgemeine Einleitung die juristischen Encyclopädie enthält, Berlin 1792; Anton Friedrich Justus Thibaut, Juristische Encyclopädie und Methodologie, Altona 1797, s. 243 ff.; Gottlieb Hufeland, Rechtfertigung meiner Eintheilung der gesammten positiven deutschen Rechtsgelahrtheit, in ders.: Beiträge zur Berichtigung und Erweiterung der positiven Rechtswissenschaften, 2. Stück, Jena 1801, s. 33-120 (50 f.). 28 Nikolaus Falck, Juristische Encyclopädie, 2.Aufl., Kiel 1825, s. 267 f.Anm. 74. 29 Zum Folgenden: J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 82 ff. 30 Zum Folgenden: J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 168 ff.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=