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neuer Rechtsbegriffe und -sätze geführt,wie „juristische Person“ (Heise),17 „dinglicher Vertrag“ (Savigny),18 „culpa in contrahendo“ (Jhering),19 „Persönlichkeitsrecht“,20 „Geschäftsfähigkeit“21 usw. und der deutschen Rechtstheorie zeitweise weltweites Ansehen verschafft. Natürlich ist diese Neuorientierung kein isoliertes Phänomen der Rechtstheorie, sondern hat tiefere erkenntnistheoretische Gründe. Lassen Sie mich dazu wenigstens ein paar Stichworte geben. Die Rechtswissenschaft gewinnt durch „Abstraktion“ aus dem Gesetzes- und Gewohnheitsrecht neue Begriffe und Prinzipien. Logisch betrachtet handelt es sich um eine unvollständige Induktion, indem etwa aus den römischen Regeln über den Irrtum beim Kauf das allgemeinere Prinzip entwickelt wird, daß ein beachtlicher Irrtum jede Willenserklärung rückwirkend vernichtet. Solche unvollständigen Induktionsschlüsse sind zwar an sich logisch ungültig.22 Es kann ja ganz zufällig sein, daß ein oder mehrere isolierte Gegenstände eine bestimmte Eigenschaft haben oder gemeinsam haben. Der entscheidende neue Gedanke ist jetzt aber, daß die Gegenstände der Erkenntnis eben nicht unverbunden und zufällig nebeneinander stehen. Sie bilden kein (mit denWorten Kants) „rohes chaotisches Aggregat“, sondern ein System. In diesen Zusammenhang bringt sie jedenfalls der ordnende menschlicheVerstand. Denn, wie Kant sagt, wissenschaftliche Erkenntnis ist überhaupt nur dann möglich, wenn sich die Gegenstände (für den erkennenden jan schröde r 319 17 Georg Arnold Heise, Grundriß eines Systems des gemeinen Civilrechts zum Behuf von Pandecten-Vorlesungen, 2.Ausg., Heidelberg 1816, s. 21. 18 Friedrich Carl von Savigny: System des heutigen Römischen Rechts, III, Berlin 1840, s. 313. 19 Rudolf Jhering, Culpa in contrahendo oder Schadensersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfektion gelangtenVerträgen, in: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 4 (1861), s. 1 ff. 20 Siehe dazu Hans-Jürgen Becker, Persönlichkeitsrecht, in, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hrsg,. v.A. Erler und E. Kaufmann, III (1984), Sp. 1626-1628; Dieter Leuze, Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im19. Jahrhundert, Bielefeld 1962, S. 60 ff. zu Neuner (1866), s.93 ff. zu Gareis (1877). 21 Hans-Georg Knothe, Die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen in geschichtlicher Entwicklung, Frankfurt am Main etc. 1984, s. 168-170, 206-208, 257. 22 Deshalb waren sie im18. Jahrhundert verpönt: Sie „taugen nicht“ nach Johann Heinrich Lambert, Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung desWahren und dessen Unterscheidung von Irrthum und Schein, I, Leipzig 1764 (Ndr. Berlin1990), § 287, s.146.Weitere Nachweise bei JanSchröder: Zur Analogie in der juristischen Methodenlehre der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, 114 (1997), s. 46-48.

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