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ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts setzt sich dasWort „Rechtswissenschaft“ endgültig gegen das alte „Rechtsgelehrsamkeit“ oder „Rechtsgelahrtheit“ durch. - Mit demWort ändert sich auch der Begriff.14 Die alte „Jurisprudenz“ bestand aus Rechtskenntnis und der Fähigkeit sie anzuwenden. Das zweite, praktische Element verschwindet im neuen Begriff der Rechtswissenschaft ganz. Die Anforderungen an das erste, die Kenntnis des Rechts werden verschärft. Es genügt keine bloß empirische Kenntnis mehr, sondern es wird eine systematische Kenntnis verlangt. Und nicht mehr die subjektive Kenntnis, sondern das objektive, abstrakt gedachte Ganze des Rechtswissens ist „Rechtswissenschaft“. So heißt es etwa bei Thibaut (1797), eineWissenschaft sei erst dann vorhanden, „wenn mehrere Begriffe in systematischer Ordnung... zusammengefaßt sind“ und Christian Friedrich Mühlenbruch nennt 1807 Rechtswissenschaft die „wissenschaftliche Ordnung“, das „System“ der Rechtswahrheiten.15 Diese neue „Rechtswissenschaft“ erhebt nun auch ganz neue wissenschaftlicheAnsprüche.Die führendenVertreter der historischen Rechtsschule wie Savigny, Puchta und Jhering sehen die Aufgabe der Rechtstheorie nicht mehr nur darin, das vorhandene Recht zu erfassen und auszulegen. Die „Rechtswissenschaft“ soll vielmehr durch „Abstraktion“ auch neue, im Ganzen des Rechts verborgene, aber bisher noch nicht ausgesprochene Rechtssätze entdecken.16 Damit tritt neben die alten Methoden der Interpretation und der (schon im18. Jahrhundert fast ganz aufgegebenen) Topik eine dritte, die man „wissenschaftliche Systembildung“ nennen kann. Sie hat im19. Jahrhundert zu einer Fülle re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 318 dologie der positiven Rechtswissenschaft, Leipzig 1797. Zur Durch- setzung des Wort „Rechtswissenschaft“ J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 38-41. 14 Zum Folgenden J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 41-46. 15 Anton Friedrich Justus Thibaut, Juristische Encyclopädie und Methodologie, Altona 1797, s. 1; Christian Friedrich Mühlenbruch, Lehrbuch der Encyclopädie und Methodologie des positiven in Deutschland geltenden Rechts, Rostock und Leipzig 1807, s. 29 f. 16 S. nur etwa Friedrich Carl v. Savigny, Vorlesungen über juristische Methodologie, hrsg. und eingeleitet von A.Mazzacane, Frankfurt am,Main1993, S. 150 (Aufsuchen der höheren Regel, auf der ein Gesetz beruht).Weiterhin Heinrich Thöl, Einleitung in das deutsche Privatrecht, Göttingen 1851, s. 140; Rudolf Jhering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, 2.Teil, 2.Abt. (zuerst 1858), 2. Aufl. Leipzig 1869, s. 335; Levin Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts, I, 2.Aufl., Erlangen1874,s.304Anm.4. Zum Ganzen J. Schröder. Recht alsWiss. (Fn. 6),s.250253. a) Methoden

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