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ben sie Daniel Nettelbladt (1747) und Johann Stephan Pütter (1753), zwei der angesehensten deutschen Universitätsjuristen ihrer Zeit, sogar zu einem selbständigen Teil der Rechtstheorie.9 Er sollte die richterliche Referier- und Dekretierkunst, die Kautelarjurisprudenz, die „Staats- und Kanzleipraxis“ und vieles andere mehr umfassen. Es gab danach also nicht nur eine theoretische, sondern auch eine praktische Rechtsgelehrsamkeit, die erst zusammen die ganze Rechtstheorie ausmachten. Der Göttinger Jurist Johann Heinrich von Selchow rechnet die praktische Rechtsgelehrsamkeit 1764 sogar zu den „Lieblingswissenschaften unseres Jahrhunderts“10; ihr Anteil an denVorlesungen lag zeitweise bei 20%.11 Im19. Jahrhundert bekommt dann die deutsche Rechtstheorie ein ganz anderes Gesicht. Die praxisorientierte alte „Jurisprudenz“ wandelt sich in eine „Rechtswissenschaft“ um. Hatte noch Daniel Nettelbladt in seinen juristischen Einführungslehrbüchern zwischen 1750 und 1780 von „iurisprudentia“ oder „Rechtsgelahrtheit“ gesprochen,12 so bezeichnen sich die entsprechendenWerke seit den 1790er Jahren mehr und mehr als Einführungen in die „Rechtswissenschaft“ (etwa Dabelow1793: „Einleitung in die deutsche positive Rechtswissenschaft“, Eisenhart 1795: „Die Rechtswissenschaft nach ihrem Umfange, ihren Teilen...” usw., Kohlschütter 1797 „Propädeutick, Encyclopädie und Methodologie der positiven Rechtswissenschaft“ usw.).13 Schon im jan schröde r 317 9 Daniel Nettelbladt, De optima iurisprudentiam practicam docendi methodo (1747), in ders.: Sammlung kleiner juristischer Abhandlungen, Halle 1792, s. 89-100 (bes. S. 91 f.), Johann Stephan Pütter,Anleitung zur Juristischen Praxis..., Göttingen1753. Zur dann üblich werdenden Zweiteilung der Rechts-theorie in theoreti-sche und praktische s. etwa A. F. Schott, Encyclopädie (Fn. 1),s. 17ff., 170ff. und weitere Nachweise bei J. Schröder,Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 51 ff. 10 Johann Heinrich Christian von Selchow, Juristisiche Bibliothek von neuen juristischen Büchern und Abhandlungen, 1. Stück, Göttingen 1764,Vorrede (fol. 4 vo). 11 Nachweise bei J. Schröder,Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 213 ff, 252 ff. 12 Wie o. Fn. 5 und weiterhin: Daniel Nettelbladt, Unvorgreiffliche Gedanken von dem heutigen Zustand der bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelahrtheit in Deutschland... , Halle 1749; ders., Abhandlung von der practischen Rechtsgelahrtheit überhaupt... , Halle 1764 usw. 13 Christoph Christian Dabelow, Einleitung in die deutsche positive Rechtswissenschaft, Halle 1793; Ernst Ludwig August Eisenhart, Die Rechtswissenschaft nach ihrem Umfange, ihren einzelnen Theilen und Hülfswissenschaften nebst einer juristischen Methodologie, Helmstedt 1795; Karl Christian Kohlschütter, Propädeutick, Encyclopädie und Metho2. Die Rechtstheorie (Rechtswissenschaft) des 19. Jahrhunderts

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