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darum, den vorgelegtenText richtig zu verstehen.Neben der Interpretation steht in der frühen Neuzeit die logische Bearbeitung der Rechtstexte, vor allem die Anwendung der Topik. DieTopik arbeitet mit gewissen Örtern (Ähnliches, Entgegengesetztes usw.) und Maximen, die es erlauben, aus einem vorliegenden Gesetzestext weitere Schlußfolgerungen zu ziehen („Ähnliches ist ähnlich zu behandeln“ usw.).7 Sie schließt dabei zwar von einem Fall auf den anderen, kommt aber nicht zu neuen,allgemeinen Rechtsregeln.Die frühneuzeitliche Jurisprudenz liefert also, außer der (irgendwie geordneten) Darstellung des Rechts, Hilfsmittel zumVerständnis der Rechtstexte und Argumente von einem Fall auf den anderen. Sie hat aber nicht den Ehrgeiz, neue allgemeine Rechtsregeln hervorzubringen. Das schließt natürlich nicht aus, daß sie de facto doch zu vielen vorher unbekannten Rechtserkenntnissen fortgeschritten ist und damit auch die Praxis beeinflußt hat. So entwickelt etwa der Leipziger Professor und Richter Benedict Carpzov8 ein System des Strafrechts, das über mehr als ein Jahrhundert lang die Rechtsprechung bestimmte. Aber eine produktive methodische Theorie gibt es auch bei Carpzov nicht. Zweitens soll die Jurisprudenz die Gesetze „ordnungsgemäß auf vorkommende Fälle anwenden“. Die Rechtslehre hatte also nicht nur die Rechtsvorschriften selbst zu vermitteln, sondern auch Fähigkeiten in der praktischen Anwendung des Rechts. In der Praxis muß ja z. B. der Richter nicht nur das Recht kennen, sondern auch wissen, wie man in einem konkreten Fall aus Akten referiert und darüber ein Gutachten oder Urteil verfaßt. Der Notar oder Rechtsanwalt muß wissen, wie man im konkreten Fall einen Kaufvertrag aufsetzt usw.Nach heutigerVorstellung gehört diese „Technik“ der juristischen Berufe nicht zur Rechtswissenschaft. Die frühneuzeitliche Jurisprudenz rechnete aber auch praktische Handlungsanleitungen für Richter, Notare usw. zur Jurisprudenz oder Rechtsgelehrsamkeit. Im18. Jahrhundert erhore cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 316 7 Zur frühneuzeitlichen Topik siehe die sehr klare zeitgenössische Darstellung von Joachim Jungius, Logica Hamburgensis (1638),2.Ausg.1681, neu hrsg. von R.W.Meyer, Hamburg 1957, lib. 5, s. 245 ff. , und aus der modernen Literatur J. Schröder, Recht alsWiss. (Fn. 6), S. 23 ff. Zur mittelalterlichen Topik Gerhard Otte, Dialektik und Jurisprudenz, Frankfurt am Main 1971, s,. 186 ff. 8 Über ihn einführend Gerd Kleinheyer, inders. /Jan Schröder (Hrsg.), Deutsche und europäsiche Juristen aus neun Jahrhunderten, 5.Aufl., Heidelberg 2008. b) Umfang

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