nächst mit „Rechtsgelahr(t)heit“1, dann mit “Rechtsgelehrsamkeit”2 übersetzt. So sprechen etwa die GöttingerVorlesungsverzeichnisse bis 1792 von “Rechtsgelahrtheit”, dann von „Rechtsgelehrsamkeit“. Erst von1809an heißt es „Rechtswissenschaft“.3 Dem entspricht auch der Begriff. Die Juristen verstehen ihre Disziplin nicht als theoretische, kontemplative, sondern als praktische Disziplin. Im frühen17. Jahrhundert setzt sich (gegen die alten römischen Definitionen ) eine Begriffsbestimmung durch,die bis kurz vor 1800herrschend bleibt und sich bei zahllosenAutoren findet.Ich zitiere nur Daniel Nettelbladt (1749): „Die Jurisprudenz ist die praktische Fähigkeit, die Gesetze richtig zu interpretieren und ordnungsgemäß auf vorkommende Fälle anzuwenden“.5 Die Jurisprudenz soll also zunächst einmal die Gesetze richtig interpretieren. Interpretation ist, nach demVerständnis, das sich im17. Jahrhundert durchsetzt, die Ermittlung des Gesetzessinnes.6 Es geht ihr also jan schröde r 315 1 So heißt z. B. die deutsche Übersetzung von Christian Thomasius’ „Institutiones iurisprudentiae divinae“: „Drey Bücher der göttlichen Rechtsgelahrheit“ (1688), vgl. Rolf Lieberwirth, ChristianThomasius. Sein wissenschaftliches Lebenswerk,Weimar 1955,s.18(nr.28).Auch nochAugust Friedrich Schott, Entwurf einer juristischen Encyclopädie und Methodologie, 5. Ausg., Leipzig 1790, 1. Teil: “Encyclopädie der Rechtsgelahrheit”, s. 9 ff.Weitere Nachweise bei Jan Schröder, Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an derWende zum 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1979, s. 36-38. 2 Schon in Zedlers (Verleger) Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste 30. Band (Leipzig und Halle 1741), Sp. 1432: „Rechtsgelehrsamkeit, Rechtsgelehrtheit,Rechtsgelahrheit...“.Weitere Nachweise bei J. Schröder, Wissenschaftstheorie, wie Fn. 1. 3 Göttinger Gelehrte Anzeigen 1792, S. 1516-1518; 1809, S. 427-431. 4 Ulpian D. 1, 1, 10, 2; Inst. 1, 1, 1 („iuris prudentia est divinarum atque humanarum rerum notitia, iusti atque iniusti scientia“). Nachweise bei J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 9 f. 5 Daniel Nettelbladt, Systema elementare universae iurisprudentiae positivae communis, imperii Romano-Germanici, Halle 1749, § 4, S. 5.Weitere Nachweise bei J. Schröder, Wissenschaftstheorie (Fn. 1), s. 11-14. 6 So z. B. Samuel Pufendorf, De jure naturae et gentium libri octo (1672), lib. 5, cap.12, § 1 (= ders.: Gesammelte Werke, IV, hrsg. von Frank Böhling, Berlin 1998, s. 524); Christian Thomasius, Institutionum iurisprudentiae divinae libri tres (1688),Halle 1730, lib.1, cap. 3,Nr. 3, S. 58; Christian Heinrich Eckhard, Hermeneutica iuris (1750), neue Ausg,. v. K.W.Walch, Leipzig 1802, lib. 1, cap. 1, § 16, s. 12. S. dazu und zur Lehre des 16. Jahrhunderts auch Jan Schröder, Recht alsWissenschaft. Geschichte der juristischen Methode vom Humanismus bis zur historischen Schule (1500-1850), München 2001, s. 138, 54-56. a) Methoden
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