Das klingt altmodisch, gewiß, die Sache trifft aber nach wie vor zu. Sie wird heute nur nicht mehr klar benannt. Wieviel stimmt also noch von der Wissenschafts-Verteidigung und Vision Savignys von 1821/22?129 Die Unmöglichkeit, das immer noch hehre Ziel der Rechtsgewißheit zu erreichen, indem man versucht, durch eine fertige Sammlung vonRechtsregeln die richtigen Lösungen unmittelbar zu erlernen und diese nur nochgleichsam mechanisch anzuwenden - dies erscheint immer noch, und erst recht in unserem Zeitalter einer beschleunigten Gesetzgebungskonjunktur und Richterrechtspraxis unmöglich. Denn immer noch ist die Unmöglichkeit gegründet in der stets neu sich erzeugenden Mannigfaltigkeit der Fälle, keineswegs in der bloßen Menge derselben, worüber man ja allmählich durch Vermehrung der Regeln vermittels weiterer Erfahrung klar werden könnte. Vermehrung der Regeln, gesetzlicher wie erst recht richterlicher, kennen wir allzu gut – sie brachte nie mehr Rechtsgewißheit und damit Gleichbehandlung und damit Stetigkeit und Gerechtigkeit. Daher gilt immer noch: Als Rechtswissenschaftler wie als Analytiker des geltenden Rechts müssen wir, anstatt der fertigen Regeln, vielmehr die Methode suchen, woraus auch die Regeln stets neu sich erzeugen … wir sollen der Entstehung der vorhandenen Regeln nachforschen, um so des in ihnen lebendig wohnenden Princips uns zu bemeistern … Genetische oder historische Methode - ist die eigentlich praktische, nicht dieser entgegengesetzt … Wird der ‚Geist‘ des Rechts und der Rechtssätze also nicht missbraucht, um ihn illoyal gegen den Buchstaben zu kehren, so kann die Kenntnis des Geistes immer noch den Umgang mit den Buchstaben veredeln und Gründe und Einsichten vermitteln, die wiederum zwar nicht den einzig richtigen, aber doch einen ungleich besseren und einsehbareren Umgang mit dem Buchstaben ermöglichen. Das ist gewiß keine deutsche Obsession. In diesem Sinne hat uns die Rechtswissenschaft der Historischen Schule gerade auch im Punkte Theorie und Praxis immer noch viel zu sagen. Am Ende hat schon der Göttinger Aufklärer Lichtenberg das Ergebnis ausgesprochen: joach i m rücke rt 275 129 Siehe den vollen Text im Anhang 1-1821/22, Zitate hier kursiv eingefügt. mit der er [der Jurist] zwischen diesen Massen wandeln kann“, um den „unerschöpflichen Reichthum, der überall, wo er tiefer dringt, zu Tage tritt“(13), auch darum, „mit Sicherheit und Bewußtsein einen neuen Stoff [zu] producieren“ und ein „stets bereites Rechtsmaterial“ zu gewinnen (16).
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