Interessanterweise halten wesentliche moderneWissenschaftstheorien das Theorie-Praxis-Problem für gelöst. Die zerstörerische Kollision entfällt durch Unterscheidung, die ebenso zerstörerische Trennung entfällt durchVerbindung in Dualismus. „Entscheidungen lassen sich niemals ausTatsachen (oder der Behauptung vonTatsachen) herleiten, obgleich sie sich aufTatsachen beziehen“, während sie andererseits natürlich verquickt sind.Vereinfacht gesagt: Es bleibt der Bezug zwischen Theorien (als Entscheidungsanleitungen) und Praxis (als Tatsachenkenntnis), mehr ist nicht zu haben.126 Das schadet auch nicht, im Gegenteil. Es verhindert einen Absolutismus der Theorie-Entscheider ebenso wie einen der Tatsachenkenner. Das läßt sich auch gut alsWeg zu „möglichst mündig“ und „möglichst offen“ sehen. Mit diesem Ausblick wird freilich gewiß nicht die besondere, die meisten Zeitgenossen so erhebende, Motivation erreicht, mit der Savigny seine Texte niederschrieb, seine Praxis betrieb und seine Lehre vermittelte. Hier war doch der feste Glaube an ein im Entwicklungsgang entschlüsselbares inneres System des Rechts von besonderer Bedeutung, den er zugleich so lebhaft sprachlich zu fassen wusste. Inhaltlich war es ein um1800 sehr modernes und noch heute nicht eingelöstes System von Persönlichkeit, Freiheit,Wille, auch mit sozialer Aufmerksamkeit, keineswegs bloß bürgerlich.127 An ein solches inneres Systemwird heutige Rechtswissenschaft nicht mehr glauben, auch wenn sie die genanntenWerte festhält.Wenn sie also stehen bleiben muss beiWissenschaft alsVertiefung undAufklärung des positiven Rechts nach nicht ewigen Gründen und Zusammenhängen - Rechtsphilosophie ist ohnehin unbenommen - , wird sie doch damit Rechtssicherheit,Rechtsgewissheit und Gerechtigkeit besser wahren als mit einem bloßen, gewissermaßen handwerklichen Haften am Buchstaben der jeweiligen Rechtssetzungen. Jhering hat dieses practische Interesse an Rechts-Wissenschaft schön konkret benannt.128 Es geht darum, re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 274 126 Dazu statt vieler, handlich und ausgezeichnet,H.-J.Niemann,Lexikon des kritischen Rationalismus, 2004, s.v.Theorie-Praxis-Problem. 127 Dazu meine Studie: „Frei und sozial“ als Rechtsprinzip, 2006. 128 Jhering 1857 (Fn. 99). „dem vorhandenen Stoff eine Gestalt zu verleihen, die die subjektive Beherrschung desselben in hohem Grade erleichtert“ (11), damit um „Ordnung und Harmonie, Einfachheit und Schönheit,“ um „feste Ablagerung der Gedanken-Massen“ und „Schärfe der Formen“, um die „Sicherheit,
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