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leidige deutsche Obsession, die aus politischer Rückständigkeit und durch Kants verfehlte Reduktion des Praktischen im19. Jahrhundert hereingebrochen sei. Theorie und Praxis seien zu vermitteln, Theorie müsse in praktischer Absicht arbeiten.117 Der Hoffnungsträger ist nun nicht mehr das Leben, sondern die Wirklichkeit und die Gesellschaft, richtiger die Gesellschaftstheorie. Kurz:Theorie führt wieder, mit allen bekannten Folgen.Was ist wirklich? Daß der Menschnicht autonom sein kann und will?118 Der wirklichkeitsblinde unddann auch -feindliche Missetäter 19. Jahrhundert und seine bloß bürgerliche Besitz- und Bildungsgesellschaft sind gestellt.119 VölligerVerzicht aufWirklichkeitsbezug soll die juristische Erbsünde gewesensein120 - die Bekehrung und der hoffnungsvolle neue Glaube erscheinen trotz aller Kautelen klar und einfach: möglichst mündig und gesellschaftlich möglichst offen ist die Gesamtformel.121 Für diese theoriegesättigte Bewegung ist Savigny konsequent ein Hauptsünder, aber nicht weil er ebenso viel Theorie hatte wie sie selbst, sondern weil diese wirklichkeitsblind und bloßbürgerlich gewesen sein soll – die falscheTheorie. Dieses sehr gesellschaftspolitischeTheorie- Praxis-Kampf verlagerte sich schnell auf Professions- und Studienreformkämpfe. Integration von Theorie und Praxis wurde ein Hauptziel, das die bald, 1971, erfolgreich eingeführten sog. einphasigen Studiengänge entscheidend prägte.Texte, Kontext undVerlauf dieser Bewegung sind gut greifbar in der Einführung in das juristische Studiumvon Rinken.122 Der Glaube schwächte sich ab,Theorie-Praxis-Harmonie wurde doch eine Frage von Integration ohne Inhaltsbestimmung, von bloßer Wechselwirkung, von kritischer Instanz, womöglich überall und nirgends. Die Struktur dieses intensiven Beitrags zum Problem ist klar und bekannt: Theorie sollte leitend sein, bis tief in die juristische Praxis und Sozialisation hinein.Das sollte sich wissenschaftstheoretisch orientieren an Praxis-Philosophie vor Kant, an Ethik und Politik.Man orientierte sich aber inWahrheit an den weniger erkenntniskritischen Konzepten der Nachkantianer, besonders amgesellschaftstheoretisch benutzten wisjoach i m rücke rt 271 117 Ebda. 39, 64, 67, 145. 118 Ebda. 75. 119 Siehe nur ebda. 66, 69, u.ö. 120 Ebda. 74. 121 Ebda. 75. 122 Maßgebend hier die 2.a. 1991, 332 ff.; nicht mehr enthalten in den weiteren Auflagen. Lehrreich auch R.Wassermann, Der politische Richter, 1972, bes. Kap. 7: Reformerische Konsequenzen, 83 ff.

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