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rie und Praxis, beschwor dagegen immer wieder den Blick ins Leben und die Bedürfnisse, rügte vor allem Savignys Recht des Besitzes als keineswegs musterhaft, weil ganz weltfremd, und wiederholte als Fazit den berühmten Satz, „daß man erst den Glauben an dieTheorie vollständig verloren haben muß, um ohne Gefahr sich ihrer bedienen zu können“.106 Aber: Die Theorie bleibt. In der Tat stand Jherings eigener Glaube an seine neue Rechtstheorie des Zwecks als Schöpfers allen Rechts bereit. Nur von hier aus konnte er so hochgemut kritisieren und doch die Theorie wie bisher hochhalten.107 Er hatte eben noch eine steuernde Gesamtanschauung des Rechts. Jherings Der Zweck des Rechts war als Rechtsphilosophie gedacht gewesen. In der Tat überwinterte oder schmorte das Problem an dieser Stelle. Am Anfang der Weimarer Zeit, 1922, versammelte der damals führende Rudolf Stammler in seinem umfassenden Überblicks-Lehrbuch der Rechtsphilosophie noch einmal die Stichworte zu Theorie und Praxis in einem eigenen, mehrfach aufschlußreichen Abschnitt:108 re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 268 106 R. Jhering, Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1884, Neudruck der 13. a. 1914, 1964, s. 100 Mißstand, 48 Leben u. durchweg, 357 zwingendes Bedürfnis, 264 und 354 zu Savigny; der Fazitsatz kommt dreimal: 54, 57, 104. 107 Zu den keineswegs kritisch-realistischen, sondern philosophisch metaphysischen Grundlagen imGeist und Zweck s. J. Rückert, Der Geist des Rechts in Jherings “Geist“ und Jherings “Zweck”, in: Rg 5 (2004) 128-149 und 6 (2005) 122-142. 108 R. Stammler, Lehrbuch der Rechtssphilosophie, 1922, § 148/s. 302 f. „Praxis ist die Behandlung von Einzelfällen.Sie unterscheidet sich von der Technik. Diese hat es in Dingen des Rechts mit der Lehre von dem rechtlichen Ausdruck und dem geformten Rechte zu tun (§ 127). DieTechnik liefert die Beherrschung der bedingten Obersätze, unter welche der Praktiker den einzelnen Rechtsfall zu subsumieren hat (§ 110). IhrWesen geht also darauf, daß sie zwar Regeln von verhältnismäßiger Allgemeinheit bietet, aber immer sich nur mit einembedingten Inhalte als solchen befaßt. Da also die technische Art der Betrachtung immer nur auf ein begrenztes Ziel gerichtet ist, so bedarf sie zur grundsätzlichen Befestigung der von ihr behandelten Sätze der Theorie. … In seiner reinen und klaren Bedeutung besagt es eine Lehre von unbedingt allgemeingültiger Art. Es ist also Theorie und doktrinäreTechnik ganz verschieden.Die letztere ist bloß ein vorläufiger Halt, dessenendgültige Festsetzungnur durch eine Theorie im genannten Sinne erfolgen kann. Alle rechtsphilosophische Lehre ist somit Theorie in der wahren Bedeutung desWortes (§ 1). 2. Abschwächungen

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