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Ähnlich formelhaft wie Leben erscheint Bedürfnisse oft und im Positiven unspezifisch.101 Es lässt sich steigern zumzwingenden Bedürfnis. Der konkretere Wortschatz zu den positiven Richtungen differiert dann bezeichnend: GesundeVernunft desVolkes (1818), natürliches Rechtsgefühl (1836), Wirklichkeit (1838), gesellschaftliches Leben…gesetzlich leiten (1844), demreinen gesundenVolksrecht Platz machen (1849), die Kunst der Anwendung des Gesetzes fördern und Elasticität in den starren Buchstaben bringen (1852), naturhistorisch, d.h. juristisch, dogmatisch, das Recht erforschen, aber auch mit gesundem Gefühl undTakt entscheiden (1857), Erfassung der wissenschaftlichen Gesetze, nach denen derWille der Verkehrtreibenden sich bestimmt (1858), usw. – Genaueres muß hier dahinstehen. Das ganze Jahrhundert stünde an. Unterhalb der großen Formeln setzen sich die Hauptlinien und - unterschiede zuTheorie und Praxis zunächst fort: die wissenschaftlich getragene Einheitsidee, die reformpolitisch gefüllte Einheitsidee (meist, aber nicht notwendig, von der Praxis her) und die skeptischeren bloßenHarmonieappelle.Aber in den großen Darstellungen des geltenden Rechts, die an die Stelle von Savignys Systemtreten, verschwindet das Thema mehr und mehr. Der sehr bedeutende C.G.Wächter streift in seinem Spätwerk 1880 das Thema Praxis gemäß Register und Inhalt nur zur Frage Gerichtsgebrauch als Rechtsquelle.Der Rechtswissenschaft stellt er trocken die Aufgabe, sie solle „den Inhalt der bestehenden Rechtsquellen entwickeln und nach allen Seiten zum Bewußtsein bringen“.102 Ähnlich handelt in der FolgegenerationWindscheid von Praxis bei Gerichtsgebrauch, aber nicht von Theorie und Praxis.103 Auch das nächste book of authority, also Enneccerus zumAllgemeinenTeil des BGB, bleibt in dieser problemvermeidenden Linie.104 Ein eigener Abschnitt fehlt wieder. Wissenschaft wird deutlich abgeschoben in nur mittelbare Relevanz, inVorarbeit für Gesetzgebung, inKlarlegung undAusbau des geltenden Rechts. Nipperdey fügt dem1931 in seiner Neubearbeitung und auch später nichts hinzu.105 Nur Jhering hatte in seinen ernsten Scherzen das Problem gründlich gestellt und persifliert. Er ging seit 1863aus von einemMißstand großer Entfremdung zwischenTheojoach i m rücke rt 267 101 Auf die Einzelnachweise verzichte ich hier. 102 C.G.Wächter, Pandekten, Bd.1, § 23. 103 B.Windscheid, Lehrbuch der Pandekten, 8.A., Bd. 1, § 16 N. 6. 104 Siehe die letzte Bearbeitung von L. Enneccerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts. Einleitung.Allgemeiner Teil (zuerst 1898), 12. Bearb., 30.-34.Aufl. 1928, § 39 II. 105 L. Enneccerus-H.C. Nipperdey, 13.A1931, § 39, dto. 15.Aufl. 1959, § 42 II.

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