5. Ohne das ontologische und geschichtsphilosophische Band musste dieser Ansatz zerfallen und damit auch die Einheit von Theorie und Praxis in seiner Wissenschaft. Auch wenn spätere Juristen mehr und mehr ohne Philosophie auskommen wollen, und tautologisch nur juristischarbeiten, bleiben diese Prämissen als unvermeidliche Denkformen gerade beimTheorie-Praxis-Thema sichtbar. Im späteren19. und frühen20. Jahrhundert wurde der Anspruch einer Einheit von Theorie und Praxis durchweg festgehalten. Aber in dem Maße wie die Gesamtanschauung der Savignyschen Art zerfiel, verlor dasTheorie-Praxis-Problem teils an theoretischer Brisanz, teils an wissenschaftlichem Interesse. Es wurde eine Standesfrage, ein politischer, sozialer und ökomonischer Rangkampf der Juristenprofessionen mit teilweise ganz eigenen Ideologien. Zum kleinsten gemeinsamen Nenner wurden Zusammenarbeitsappelle – wie sie bis heute überwiegen. Stets neu forderte man wechselseitige Befruchtung, wie erwähnt für Elvers 1828,also Befruchtung aus der Praxis mit Leben, Erfahrung, Bedürfnissen, aus der Theorie mit Abstraction, eben Theorie,Wissenschaft.96 Die erstaunlichste Lebenskraft beim Theorie-Praxis-Thema hat der Verweis auf das Leben.Einigermaßen vollständige Belege dazu würden jeden Rahmen sprengen, da Leben fast überall die Hauptformel bildet. Die Berufung darauf verbindet unverbindlich – das macht sie bequem und erfolgreich. Sie bietet ein offenbar kaum bestreitbares Blankett. Und sie verdeckt zunächst die inhaltlichen Divergenzen. Ein Blick in die Vorreden oder Programmaufsätze der juristischen Zeitschriften97 gibt dazu weittragenden Aufschluß In diesen sensiblen Quellen wird Leben wird fast immer beschworen, in allen juristischen Fächern und re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 264 ähnlich §5zu Rechtsinstitut („erscheint“ in „sichtbarer Gestalt“, „zeigt sich“, „organische Natur erscheint“). 96 Siehe Anhang 1, hier 1828, S. 1 f. 97 Siehe dazu demnächst meinen Überblick „Zur Charakteristik führender juristischer Periodika im19. Jahrhundert in Deutschland“, in Juridica International,Tartu 2010,mit näherer Statistik.Ausgewählt aus über 570Titeln sind rund120Langläufer von mind. 10 Jahren Laufzeit. Siehe den Abdruck einiger Programme in, Juristische Zeitschriften. Die neuen Medien des 18.-20. Jahrhunderts, hg. von M. Stolleis, 2000, im Anhang. v i i . au s bl i cke b i s h e ute 1. Konsensformeln: Leben, Bedürfnis
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