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vonChaos, von Aggregat statt System, von nur formal erreichbarer Einheit. Praxis ist dann nicht Fortsetzung der wissenschaftlich erkannten Gründe, Prinzipien und Zusammenhänge, sondern einfach geschickte Anwendung der formal geordneten Regeln. Im Hintergrund stehen natürlich unterschiedliche Auffassungen zurWissenschaftsfähigkeit des Gegenstandes Recht. In diesem philosophischen Kontext sind Savignys salomonische Formeln zuTheorie und Praxis ebenso wieThibauts Skepsis zu verstehen. Der Blick auf diesen Kontext offenbart zugleich einen wichtigen Unterschied.Von Garve bis Kant und Hegel wird die Einheit von Theorie und Praxis philosophisch begründet oder verneint, und zwar insbesondere erkenntnistheoretisch. Bei Savigny finden wir dagegen keine ausdrückliche Erkenntnistheorie, sondern eine Geschichtsphilosophie. Am deutlichsten steht das in den langen Vorrede-Passagen imSystem1840. Dort heißt es, wie erwähnt, das „zweyfache Element“ des Rechts, das theoretische und das praktische, gehöre „dem allgemeinenWesen des Rechts selbst an“.55 Und er begründet dies mit den Worten: Dies alles sei nicht durch menschlicheWillkür so geworden, sei also unvermeidlich und unabänderlich geschehen. Es komme daher nur darauf an, festzustellen, was in diesen Gegensätzennaturgemäß undheilsam sei und dabei die ursprüngliche Einheit fest im Auge zu behalten. Geschichtsphilosophisch nenne ich die Deutung vomEntwicklungsgang her und ihre wertende Auszeichnung als unvermeidlich undnaturgemäß gemäß ursprünglicher Einheit. So wird derVerlauf mit maßgebendem Sinn erfüllt. In demHinweis auf eine naturgemäße und ursprüngliche Einheit vor der späterenTrennung begegnet ein weiteres geschichtsphilosophisches Schema, nämlich das triadische Natur-Kunst-Schema. Dabei wird ausgegangen von einer natürlichen Einheit, ihr folgt Entzweiung, und joach i m rücke rt 253 55 System I S. xx, siehe im Anhang. 56 Ebda. „Es liegt aber in dem Entwicklungsgang der neueren Jahrhunderte, daß diese zwey Richtungen zugleich in verschiedenen Ständen und Berufsarten aus einander getreten sind, daß also die Rechtskundigen, mit seltenen Ausnahmen, durch ihren ausschließenden oder überwiegenden Beruf entweder der Theorie oder der Praxis allein angehören“.56

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