RS 25

Juristen,Theoretiker sowie Praktiker, in ihren unterschiedlichenTätigkeiten,vom gleichen geltenden Recht ausgehen. Die unterschiedlichen juristischen Berufsgruppen ergänzen und bedingen sich gegenseitig. Für Rechtsdogmatiker bedeutet diese Professionsbindung, dass sie ein größeres Gefühl der Zusammengehörigkeit mit Juristen der Praxis empfinden, als mit anderenWissenschaftlern innerhalb der Universitätswelt. Andererseits resultiert eine Rechtswissenschaft, die es nicht als ihre Aufgabe ansieht gemeinsam mit anderen Juristen dasWissen über geltendes Recht zu vertiefen und entwickeln, in einer Anzahl von Forschungsrichtungen, die durch eine Außenperspektive, anstelle einer Innenperspektive, welche die Rechtsdogmatik auszeichnet, gekennzeichnet sind. Die direkte Anbindung der Theorie an die geltende Rechtspraxis fehlt, und man beschäftigt sich nur noch mit Studien über das Recht, anstelle mit Studien des Rechts. Das wiederum bedeutet, dass die rechtsdogmatische Methode durch eine andere Methode wie etwa der soziologischen oder ökonomischen Methode ersetzt wird. Solche „Rechts-und-Disziplinen“, wie etwa Rechtssoziologie, Rechtsökonomie, Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie oder Rechtsinformatik, um einige zu nennen, liefern zweifellos eine wertvolleWissensperspektive auf das Recht, da aber keineVerbindung von Theorie und Praxis vorausgesetzt wird, liegt es in der Natur der Sache, dass sie keine doktrinären Lösungen beibringen können. Ein Richter, der mit einem schwierigen Fall betraut ist, kann daher für eine juristisch saubere Lösung des Falls in einer solchenAußenperspektive keine Orientierung finden. Die Diskussion zwischen Kirchmann und Stahl eröffnet nicht nur eine breite Perspektive auf die Bedingungen der Rechtsdogmatik, sondern dieTheorie/Praxis Frage rückt auch das komplexe Zusammenspiel zwischen juristischer Methodenlehre, Gesetzgebung,Richterrolle und Juristenausbildung in den Fokus. Die Störung des Gleichgewichts von Theorie und Praxis hat unüberschaubare Folgen sowohl für die Rechtsbildung, als auch für die Rechtsanwendung. Nicht zuletzt die formelle Rechtssicherheit hängt davon ab, wie gut die Rechtsdogmatik ihre Aufgabe erfüllt. Zusammenfassend verdient die Frage nach der Rolle der Rechtsdogmatik als juristische Doktrin eine eingehende Analyse, für die der historische Kontext einen natürlichen Ausgangspunkt bildet. re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 232

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=