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schen logischem Despotismus und individuellerWillkühr“35, also die Wahl zwischen logischer Deduktion oder einer ad hoc-Lösung. Nach dem logisch-deduktiven Modell erfolgt die Gerichtsentscheidung als Ableitung aus einer abstrakten Norm, völlig ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles. Darunter leidet dann die materielle Rechtssicherheit. Eine Ad hoc-Lösung dagegen bedeutet, dass der Fall ausschließlich ohne Rücksicht auf die formelle Rechtssicherheit, also Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit, anhand seiner eigenen Voraussetzungen beurteilt wird. Nach diesem Modell wird das Recht nach scheinbar willkürlichen Kriterien angewendet.Welches Modell man auch wählte, es führte immer zu einer für die Gesellschaft schädlichen Einseitigkeit der Rechtsanwendung. Stahl kehrt in diesem Zusammenhang zu seinem eigentlichen Grundthema zurück, nämlich dem unerlässlichen Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis: Nach Stahl und der historischen Schule war es Aufgabe der Rechtswissenschaft,Verständnis für den dialektischen Zusammenhang zwischen dem einzelnen Rechtsverhältnis und dessen systematischen Kontext zu vermitteln. Ein solches Verständnis des inneren Zusammenhangs des Rechts, könnte, so wie von Kirchmann behauptet, unmöglich „in der Brust eines jeden klar zu finden sein“.37 Allein vom Horizont der Rechtswissenschaft aus sei es möglich, dieses doppelteVerständnis zu erleuchten. Die Erschaffung des systematischen Elements, das der Rechtsmaterie erst Bedeutung und Zusammenhang verleihe, mache die Rechtswissenschaft sowohl für die Rechtsbildung, als auch für die Rechtsanwendung unentbehrlich. Stahl hatte dabei allerdings keine deduktive Systematik im Sinn, sondern eine Systematik, die vom historisch organischen Charakter des Rechts bestimmt wird. Die Realisierung eines solchen optimalen Systems setzt eine historische Methode voraus, mit deren Hilfe die Rechtswissenschaftler entscheiden könnre cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 228 35 Stahl, Philosophie des Rechts, Bd I, Heidelberg 1830, S. 185. 36 Stahl, Rechtswissenschaft oder Volksbewußtsein, S. 18. 37 Stahl, Rechtswissenschaft oder Volksbewußtsein, S. 11. Es ist ein unwahres Ideal von Rechtspflege, nach welchem jeder einzelne Fall nach seiner Besonderheit entschieden werden soll, gelöst von dem Allgemeinen. ZurVollkommenheit der richterlichen Entscheidung gehört gewiß die völlige Harmonie der einzelnen Entscheidungen mit allen anderen Entscheidungen also mit dem Ganzen des Rechtszustandes.36

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