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nungen hinaus enthält er zahlreiche Institute des römischen Rechts.16 Die Diskrepanz zwischen Speranskijs Äußerungen und den Arbeiten der Gesetzeskommission dürfte zunächst mit politischen Rücksichten zu erklären sein: So groß das Interesse an der Orientierung am westlichen Recht war, war nämlich auch die politische Brisanz des Bekenntnisses dazu.17 Speranskij war nicht zuletzt aus eigener leidvoller Erfahrung darauf bedacht, jeden Anschein einer Orientierung am westlichen Recht zu zerstreuen. Er war 1812als Staatssekretär abgesetzt und nach Sibirien verbannt worden, weil er als Reformer untragbar geworden war: Sein 1809 ausgearbeitetes Projekt einer Verfassungsordnung sollte dasVerhältnis zwischen Zar und Gesellschaft auf rechtliche Grundlagen stellen.18 Außerdem plante er, Staatsbeamte einer Prüfung ihrer Qualifikation zu unterziehen. Hier und bei seinen privatrechtlichen Reformvorschlägen hatte Speranskij Anregungen aus dem westlichen Ausland, insbesondere aus Frankreich, aufgegriffen. Die Modernisierungsbemühungen trafen auf entschiedenen Widerstand, und so bot die sich anbahnende Entscheidung imVerhältnis zu Frankreich Speranskijs reaktionären Gegnern einen günstigen Anlaß dafür, den Reformator vorläufig auszuschalten.19 re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 22 (Abriß der Geschichte des Rechts des russischen Staates im18. bis 19. Jahrhundert, 1924), S. 159-161; K. Sójka-Zielińska, Historia Prawa, 7.Auflage (1998), S. 246 f. 16 V.A. Letjaev,Recepcija rimskogo prava v Rossii xix– načala xxv. (istorikopravovoj aspekt) (Die Rezeption des römischen Rechts in Rußland im19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts [historisch-rechtlicher Aspekt]),Teil 2 (2001), S. 75. Einzelne Beispiele nennt F. Kolbinger, Im Schleppseil Europas? Das russische Seminar für römisches Recht bei der juristischen Fakultät der Universität Berlin in den Jahren 1887-1896 (2004), S. 32. 17 Nachdem dieWortführer des Dekabristenaufstandes von1825 bestimmte Modernisierungen nach westlichemVorbild angemahnt hatten, wurden ihre Forderungen in der Regierungszeit Nikolaus’ I. besonders entschieden unterdrückt; vgl. N. M. Azarkin, Istorija juridičeskoj mysli Rossii (Geschichte des juristischen Denkens Rußlands, 1999), S. 208 ff. Dies galt auch im Hinblick auf die von den Dekabristen verlangte Übernahme westeuropäischer Prozeßgrundsätze und Gerichtsinstitutionen. Vgl. F. Kaiser, Die russische Justizreform von 1864. Zur Geschichte der russischen Justiz von Katharina II. bis 1917 (1972), S. 150. 18 Vgl. B. Friedmann/H.-J. Krautheim, Reformen und europäische Politik unter Alexander I., in: Handbuch der Geschichte Rußlands, Bd. 2, hrsg. von K. Zernack, 2. Halbbd. (2001), S. 951-993 (961 f.); Ch. Schmidt, Russische Geschichte 15471917 (2003), S. 133;Tomsinov, Speranskij (o. Fn. 4), S. 166 f. und die Texte bei M. M. Speranskij,Rukovodstvo k poznaniju zakonov (Leitfaden zur Kenntnis der Gesetze, 2002), S. 335 ff.. 19 Schmidt,Russische Geschichte (o. Fn.18), S. 64; vgl.R. Gebhard,Russisches Fami-

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