Grundlage zur Schaffung einer Sammlung des geltenden russischen Rechts, des Svod Zakonov Rossijskoj Imperii (Sammlung der Gesetze des Rußländischen Reiches), der in der Erstausgabe von 1832 insgesamt 15Bände umfaßte und1835in Kraft trat.6Wegen seinerVerdienste um diese Gesetzessammlung, gleichsam ein „russisches Corpus iuris“,7 ist Speranskij später der „russischeTribonian“ genannt worden.8 Eine andere Maßnahme der Regierung bestand darin, daß sie die Organisation einer geregelten Juristenausbildung betrieb. Als bedeutendes Hindernis erwies sich dabei, daß es zu wenige wissenschaftlich gebildete Professoren gab.Man mußte sich sogar eingestehen, daß die Universitäten des Reiches nicht geeignet waren, wissenschaftliches Personal heranzubilden.9 Daher entschloß sich die Regierung, den Professorennachwuchs gezielt zu fördern.10 In der Frage, auf welcher Grundlage dieser wissenschaftliche Nachwuchs herangebildet werden sollte, trat Speranskij dafür ein, daß eine eingehende Bildung im römischen Recht unverzichtbar sei.11 Auch außerhalb der Ostseeprovinzen, deren Partikularrecht ohnehin stark am römischen Recht verhaftet war, wurde die Kenntnis dieses Rechtsgebiets in Rußland von vielen als ein zentrales Merkmal des gelehrten Juristen angesehen, und Speranskij selbst war ein für russischeVerhältre cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 20 ImperatorskagoVeličestva kanceljarii razvitiju juridiceskich nauk v Rossii (Historische Notiz über die Mitwirkung der Zweiten Abteilung der ihrer kaiserlichen Majestät höchsteigenen Kanzlei an der Entwicklung der juristischenWissenschaften in Rußland, 1876), S. 4. 6 Inhaltsübersicht bei H. Küpper, Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas (2005), S. 146 f.. 7 L. Schultz, Russische Rechtsgeschichte (1951), S. 199. 8 V.Gsovski,Roman Private Law in Russia, in: Bullettino dell’ Istituto di Diritto Romano „Vittorio Scialoja“5(1939), S. 363-375(365);Tomsinov, Speranskij (o. Fn. 4), S. 397. 9 Die literarische Darstellung Speranskijs bei L.Tolstoj gilt als gut recherchiert und geht auch auf dieses Problem ein;Vojna i mir (Krieg und Frieden), 2. Buch, 3.Teil, Kap. 6am Ende: Dem Einwand des Fürsten Bolkonskij, er könne nicht an der Gesetzesreform mitwirken, weil er nicht über juristische Bildung verfüge, hält Speranskij entgegen, eine solche besitze ohnehin niemand: „Это circulus viciosus, из которого надо выйти усилием“ („Das ist einTeufelskreis, aus dem man mit Gewalt herauskommen muß“). 10 Vgl. R.Wortman,The Development of a Russian Legal Consciousness (1976), S. 45; Baršev, Istoričeskaja zapiska (o. Fn. 5), S. 10 ff.. 11 V. A. Tomsinov, Rossijskie Pravovedy xviii-xx vekov: Očerki žizni i tvorčestva (Rußländische Rechtsgelehrte des 18. bis 20. Jahrhunderts. Skizzen von Leben und Werk), Bd. 1 (2007), S. 221-241 (232 f.).
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