geeignet sei, die juristische Urtheilsfähigkeit zu bilden … Den Mittelpunkt und hauptsächlichen Inhalt des gesammten praktischen Civilrechts müssen die wirklichen Pandekten bilden“.76 Levin Goldschmidt verteidigte noch1887 dieVorteile diesesVorgehens: „Nun ist es gewiß sehr wünschenswerth, wenn der Lehrer der Institutionen und der Pandekten an geeigneter Stelle darauf hinweist, ob der betreffende Rechtssatz oder Komplex von Rechtssätzen noch in Geltung ist, auch gelegentlich durch den Gegensatz heutiger Rechtssätze die fremdartigen antiken illustriert …. Aber es hat mit Maß zu geschehen.Verstehen lässt sich ein jedes positives Rechtssystem nur dann vollkommen, wenn man es wesentlich rein darstellt … die unkritischeVermischung aller möglichen historisch, wie nach ihrem wirtschaftlichen oder geistigen Gehalt ganz verschiedenen Rechtssysteme ist einer der schwersten pädagogischen Fehler und kann nur dem der Lehrmethode völlig unkundigen Laien zweckmäßig erscheinen.“77 Nach 1848 geriet dieses didaktische Konzept in die Defensive. Carl Ferdinand Sintenis kritisierte bereits 1844die Neigung vieler Kollegen „das reine römische Recht nach der justinianeischen Redaktion in seinem ganzen Umfange vorzutragen, nicht selten des älteren mitVorliebe gedenkend“.78 Bald bestand Einigkeit darüber, dass, so Dernburg 1884, in der Pandektenvorlesung das „praktische Recht breit und konkret hervortreten“ müsse.79 Vangerow pflegte als einer der wenigen hoch erfolgreich weiterhin das alte Modell und trug unter dem Deckmantel des heutigen römischen Rechts bis 1870weitgehend das antike römische Recht vor.Er profitierte von der Sonderlage Heidelbergs, das in hoher Zahl adlige und ausländische Studenten anzog, die an einer späterenTätigkeit als deutscher Rechtspraktiker wenig Interesse zeigten. Bei ihm wurde antikes Recht, so 1887 Levin Goldschmidt, „von Studierenden aller Europäischen Länder, auch solcher, in welchen römisches Recht nie gegolten hat, noch auch nur die Grundlage ihrer Gesetzbücher oder ihres Gewohnheitsrechts bildet, mit dem größten Nutzen gehört“.80 re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 100 76 Christian Friedrich Mühlenbruch, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1, 3. Aufl. Halle 1839, s. vi. 77 Levin Goldschmidt, Rechtsstudium und Prüfungsordnung. Ein Beitrag zur Preußischen und Deutschen Rechtsgeschichte, Stuttgart 1887, s. 86 f. 78 Carl Friedrich Ferdinand Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht,Vorrede zur ersten Aufl., Leipzig 1844, s. vii. 79 Heinrich Dernburg, Pandekten, Berlin 1884, s. iv. 80 Goldschmidt, Rechtsstudium (Fn.77), s. 87.
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