RS 23

Erstmals kündigte sich mit dem Katholiken-Ehegesetz 1856 die Idee an, eine Regelungsmaterie aus demABGB herauszunehmen und in ein Nebengesetz zu verschieben, allerdings noch nicht allgemein, so daß sich imABGB keine Lücke auftat. Eine derartige Herausnahme einer Materie aus demABGB wiederholte sich erst fast 70 Jahre später mit dem Mietengesetz 1922. Es verursachte aber gleichfalls keine Lücke im ABGB, doch galt dieses für Mietverhältnisse nur mehr in den wenigsten Fällen. Beide Gesetze waren Spezialgesetze wie eben (oben B) erwähnt. Andere Nebengesetze derogierten aber Teilgebieten des ABGB zur Gänze. Die entsprechende Materie wurde insgesamt in das Nebengesetz verlagert, so daß im ABGB eine Lücke entstand. Dies geschah erstmals 56Jahre nach seinem Inkrafttreten mit dem Wuchergesetz 1868(RGBl. 62) und erst nach weiteren70Jahren durch das Ehegesetz 1938: Das Recht der Eheschließung und Ehescheidung steht hinfort in einem Nebengesetz. Dies war in jenen Jahren kein Einzelfall: Das Testamentsgesetz 1938 und das Todeserklärungsgesetz 1939 hoben gleichfalls ihre Materien aus demABGB heraus. DieseTechnik wurde nach1945 beibehalten, weitere Materien aus dem ABGB herausgenommen wie 1978 mit dem Gesetz über das Internationale Privatrecht und 1954 mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz. Diese Derogationen von ABGB-Bestimmungen hinterließen in der Kodifikation Lücken. Durch die erwähnten Nebengesetze und nicht durch bloße Derogation in anderen Gesetzen fehlen nun ganze Paragraphengruppen etwa §§ 29 – 32 und §§ 34 – 37 (Internationales Privatrecht), §§ 47 - 88, §§ 101 – 136 (Eherecht), §§ 207 – 208 (Vormundschaft), §§ 993 – 998 (Zinsen). w i l h e l m b r au n e d e r 92 c) Derogation durch Herausnahme einer Materie

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