Der Analyse, das eine dynamische Neuinterpretation des BGB ansteht, kann allerdings nicht zugestimmt werden. Der ethische Grundsatz, daß der Mensch im Rechtsverkehr nicht die Gesinnung formaler gesicherter Freiheitsrechte einfach ausleben kann, sondern ihn bei deren Ausübung immer auch eine Verantwortung für die Vertrauensinteressen der Mitmenschen und Mitbürger trifft, ist keineswegs neu, weder für das Vertragsrecht noch für das Deliktsrecht. Für das Vertragsrecht hat das BGB den Grundgedanken, daß das Privatrecht nicht nur durch Gewährleistung erworbener Rechte Freiheit organisiert, sondern immer auch im Interesse der Freiheit im Rechtsverkehr Schutz gewährt, in seiner Tradition vorgefunden und dem auch entsprochen, einerseits in seinen Generalklauseln, insbesondere den §§ 138, 826 und 242 (im letztgenannten als der Bestimmung, in welcher die exceptio doli generalis, der alte Einwand des Rechtsmißbrauchs seine Heimstatt fand), andererseits in schützenden Nebengesetzen. Seit der vorklassischen Rechtswissenschaft Roms war für das Privatrecht niemals die Frage, ob es im Rechtsverkehr berechtigtes Vertrauen schützen solle, sondern nur, wann, in welchem Umfang und wie das zu geschehen habe.Würdigt man das neue Verbraucherschutzrecht unter diesem Aspekt, ergibt sich ein Urteil, daß nicht den Gedanken verwirft, daß Unerfahrenheit und Geschäftsunkunde unter Umständen Schutz verdienen, sondern eine Reihe tiefgreifender legistischer Mängel moniert.71 Denn um etwas grundsätzlich Neues handelt es sich nicht. o k k o b e h r e n d s 58 Gesetzgebers ganze Bibliotheken zur Makulatur werden. Die seit drei Jahrzehnten geführte Debatte um die Einheit des Privatrechts und die Legitimation und die Legitimität einesVerbrauchersonderprivatrechts kann neu beginnen, aber unter grundlegend geändertenVorzeichen.Verbraucherschutz ist Teil des bürgerlichen Gesetzbuches geworden. Seine Legitimation und Legitimität steht außer Frage. Insoweit hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen. Der Rechtswissenschaft und der Rechtspraxis bleibt es vorbehalten, die neue (alte) Begrifflichkeit mit Leben zu füllen und die das BGB beherrschende formale Freiheitsethik mit der neu aufgenommenenVerantwortungsethik des Verbraucherrechts auszusöhnen.”
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