umkleidet wird?38 Der spätklassische Jurist Cervidius Scaevola spricht das aus diesen Beispielen hervorleuchtende tiefste Prinzip des Schulgegensatzes aus, wenn er in einer Kontroverse, in der er sich rückhaltlos und mit Bekennermut der Denkweise der Prokulianern anschließt, sagt, daß es verkehrt und unzulässig ist, mit den Sabinianern die iuris ratio als etwas vor der menschlichen Person zu untersuchen: non ante iuris ratio quam persona quaerenda. Denn Recht ist für die klassische Tradition etwas, was der Mensch nicht dank einer providentiellen Natur vorfindet, sondern in tätiger, zivilisierender Ergänzung einer rohen Natur schafft, und damit als etwas, was nur in Bezug auf ihn und seinesgleichen Sinn undWirklichkeit empfangen kann.39 Justinians Kodifikation bezeichnet den Höhepunkt der seit Konstantin möglich gewordenen Christianisierung des römischen Rechts.Tatsächlich ist die Überzeugung des Kaisers, daß o k k o b e h r e n d s 40 38 Vgl. meinen Beitrag, Die Natur eines Baumes und die menschliche Struktur eines Bauwerks, in: Ulrich Manthe/ Christoph Krampe (Hrsg.), Festschrift für Joseph Georg Wolf zum70. Geburtstag, Berlin 2000, S. 1-51. 39 Vgl. Scaevola 8 quaestionum D29, 7, 14. Hervorgerufen war die subtile Frage durch einen subtilen Fall. Testamentserben waren durch ein Kodizill beschwert worden, die schon gestorben waren. Sollten die auf diese Weise ausgesetzten Vermächtnisse von Ersatzerben geschuldet werden? Scaevola sagt nein: nullius momenti est, quia heres, ad quem sermonem conferat, in rebus humanis non est (das Kodizill ist unwirksam, weil es den Erben, an den der Erblasser die Rede richtet, auf derWelt nicht mehr gibt). Den imText zitierten Satz hatte er für den spiegelbildlich gebildeten Fall eines kodizillarischenVermächtnisses angeführt, der einen schonVerstorbenen nicht beschweren, sondern begünstigen sollte. Es sei nach der gleichen Strukturregel nullius momenti. Denn es müsse jemanden geben, dem etwas zugewendet werde; erst dann könne man fragen, ob die Zuwendung gültig sei. (esse enim debet, cui detur: deinde sic quaeri, an datum consistat). In aller Klarheit ist das Recht hier auf güterordnende Verständigung zwischen Menschen zurückgeführt. Die Sabinianer hatten dagegen den Fall nach der Maxime entschieden, daß die Kodizille als Teil des Testaments gelten und deswegen die von dorther kommende “Rechtsnorm” in Geltung halten (legem iuris inde traditam servent): das Kodizill wirkt also für die Sabinianer in der objektivierten, vomTestament geordneten Regelung und damit zurück. Hervorhebenswert ist, wie sehr Scaevola die Ansicht der Sabinianer als durch ihre Grundhaltung für festgelegt sieht (nimirum autem Sabini et Cassii collectio, quam et ipsi reddunt, illa est [wenn wundert es, daß die Argumentation von Sabinus und Cassius, die sie auch selbst vortragen, die folgende ist], und wie sehr er seine eigene Meinung als eine mutige, offenbar gegen den damaligen Mainstream des Prinzipats gerichtete Stellungnahme empfindet (ego autem ausim sententiam Proculi verissimam dicere [ich aber wage es, die Ansicht des Proculus als die völlig zutreffende zu bezeichnen]).
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