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dessen, was die beiden Rechtsschulen bestätigend und fortbildend in der Privatrechtsordnung der res publica restituta des Prinzipats leisteten, war nicht so sehr die jeweilige Rechtswissenschaft als vielmehr die gutachtlich geäußerten Rechtsansichten der – vom Kaiser mit demius respondendi ex auctoritate principis ausgestatteten – Juristen. Es war in jedem Fall ein langwieriger Prozeß, der mit diesem System initiiert wurde, und es ist kein Wunder, daß erst Justinian den Kodifikationsgedanken durch eine homogenisierende Sammlung der Meinungen der Respondierjuristen wieder aufzugreifen wagte. Denn die zu überwindenden Gegensätze waren denkbar tief. Letztlich ging es um die – von der augusteischen Verfassungsgründung in der Schwebe gehaltenen – Frage, ob das Recht göttlichen oder menschlichen Ursprungs ist. Gilt ein Kaufvertrag zwischen Menschen, weil die bona fides des ius gentiumals Prinzip des göttlichen ὀρθὸς λόγος das Verhältnis erfaßt und die Beteiligten zur Bewährung des wechselseitig in Anspruch genommenenVertrauens nötigt – so die vorklassischen Sabinianer – oder gilt er, weil die Parteien in friedlicher Übereinkunft die Merkmale des von der menschlichen Zivilisation gleichzeitig mit Markt und Geld bereitgestellten, zwei genau definierte Leistungen verbindlich machenden Geldkaufes vereinbaren – so die klassischen Prokulianer.37 Oder: Ist das Eigentum als proprietas das Mittel, mit dem in dem vorherbestimmten Vorgang der Aneignung der Welt durch die civitates auch der Private sich in ihrem Rahmen als Bürger den vom Besitz vermittelten naturrechtlichen Nutzen der Dinge durch körperliche Appropriation ausschließlich vorbehalten wollte, oder ist es als dominium das Mittel, durch das die naturalistische Herrschaft des Eigenbesitzes des vorstaatlichen Zustandes mit der Schaffung der Gemeinwesen durch die Menschen durch ein Recht auf dieVerwirklichung dieser Herrschaft d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 39 37 Vgl. hierzu meinen Beitrag, Der ungleicheTausch zwischen Glaukos und Diomedes und die Kauf-Tausch-Kontroverse der römischen Rechtsschule, in: Historische Anthropologie 10 (2002), S. 245-266.

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