auf die Rolle eines zwischenmenschlichen, innerstaatlichen und völkerrechtlichen Verkehrsrechts zurückgeführt werden müsse. Diese Sonderformen sind nötig, weil es unter der Alleinherrschaft des solidarischenVertrauensprinzip keine Freiheit im Sinne individueller Geschichte der Gemeinwesen und individueller Biographien der Menschen geben kann. Mit dieser Begründung sind diese Zusätze selber Ableitungen aus der Naturvernunft, deren ursprünglicheWirkung sie modifizieren und in ein Kontrollprinzip des Verkehrsrecht der Eigentümergesellschaft verwandeln.22 d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 29 22 Vgl. einerseits die Kardinalstelle der vorklassischen Rechtstheorie Cicero, de officiis III 17, 69: maiores [!] aliud ius gentium, alius ius civile esse voluerunt, quod civile, non idem continuo gentium, quod autem gentium, idem civile esse debet mit der folgenden Illustration des ius gentiumdurch die von der bona fides beherrschte societas vitae der Menschen, andererseits die Erläuterung der Lehre der maiores durch die folgenden Fragmente aus der stoischen Rechtslehre. Das Fragment v. Arnim, StoicorumVeterum Fragmenta III S. 97 Nr. 323 (Philus de Joseph.Vol. II Mang. p. 46) erläutert, daß der aufkeimende Wunsch der Menschen, sich aus der naturhaften Vermischtheit und Ununterscheidbarkeit des Ursprungs herauszuheben, die ursprüngliche Gemeinschaft aufgehoben und zum Schutz der Aneignungen und des Eigennutzes die Hinzufügungen der gesetzlichen Formen der Staatenwelt bewirkt und die Erkenntnis durchgesetzt hat; daß die ursprünglichen, die Menschen zu einer vertrauensvollen Gemeinschaft verbindenden Gebote der Natur nicht mehr genügten. Das von Natur aus Gerechte ist seitdem, wie das Fragment v. Arnim, III S. 76 Nr. 308 (Diog. Laert.VII 128) bezeugt, in zwei Teile gegliedert, in den νόμος, der die ausdifferenzierte Staatenwelt erzeugt, und den ὀρθὸς λόγος, in dem das ursprüngliche Vertrauensprinzip in der neuen Welt für alle Menschen fortwirkt. In pointierter Weise abgerundet wird das Bild dieser Rechtstheorie durch das Fragment v. Arnim, III S. 87/88 Nr. 360 (Philus quod omnis probus liberVol. II p. 542, 22 Mang.), das erzählt, daß die weisen Gesetzgeber der Athener und Spartaner Solon und Lykurg erkannt hätten, daß die Alleinherrschaft des ὀρθὸς λόγος nicht ausreiche, um den dem Recht Unterworfenen eine Teilhabe an der Freiheit zu gewähren, vielmehr aus dieser Quelle Gesetze abgeleitet werden müßten, welche den nach ihnen Lebenden die Freiheit verschafften, und zwar Freiheit im Sinne der autopragía, des Lebens unter den differenzierten Bedingungen der Stadt, in der ein jeder seinen besonderen Aufgaben nachgeht und das Prinzip des Lebens die spezialisierende Beschränkung wird (v.Arnim III S. 86 Nr. 353 [Diog. Laert.VII 121] und III S. 176 Nr. 703 [Plutarch de Stoic. repugn. cp. 20 p. 1043a]). Seneca berichtet in dem90. Brief unter Berufung auf den Stoiker Poseidonios in übereinstimmenderWeise, daß es eine Gesetzgebung der Weisen war, unter ihnen Solon und Lykurg, welche den Ausgang aus dem Goldenen Zeitalter der Alleinherrschaft desVertrauensprinzips bewirkt habe (90, 56; siehe auch 90. 36 ff.). Man muß diese Überlieferung verbinden mit der Äußerung Ciceros, de oratore I 44, 197 (oben Anm. 20), der für die Leistung eines Lykurg und Solon nur einen mitleidigen Blick übrig hat und sie nahezu lächerlich findet, wenn er sie mit denen der vorklassischen Zwölftafelinterpreten Roms vergleicht.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=