Dieser Wissenschaft wegen kann Crassus den Zwölftafeln den unerschöpflichen Reichtum zuschreiben, wie ihn nur eine durch Rechtsprinzipien aufgeladene Kodifikation hat. Cicero läßt dies alles den Licinius Crassus, sein großes Vorbild in der philosophischen Rhetorik, aus der Perspektive des Redners sagen, der die Rechtskenntnis für den Redner unabdingbar findet, und in seiner Zeit keine andere findet als dieVorklassiker19, deren Rang er darum nicht müde wird zu preisen. Es sei unglaublich, wie ungegründet und fast lächerlich jedes andere ius civile imVergleich zum eigenen sei, das aus der geistigen Arbeit d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 27 CICERO, de oratore I 44, 195 Fremant omnes licet, dicam quo sentio: bibliothecas me hercule omnium philosophorum unus mihi videtur XII tabularum libellus, si quis legum fontis et capita viderit, et auctoritatis pondere et utilitatis ubertate superare. (Es mögen alle murren, ich [d. h. Licinius Crassus]17 will sagen, was ich meine: Das eine kleine Büchlein der Zwölftafeln übertrifft, beim Herkules, wenn man auf die Quellprinzipien der Normen blickt, sowohl an Gewicht der Geltung als auch an Reichtum seiner Zweckmäßigkeit die Bibliotheken aller Philosophen).18 17 Dem Cicero hier die Rolle dessen überträgt, der, da die neue Jurisprudenz des Servius damals noch nicht zur Herrschaft gekommen ist, in ungehemmterWeise der vorklassischen Jurisprudenz seiner Lehrer Q, Mucius augur und pontifex huldigen kann. 18 Es beruht auf einemWechsel der Perspektive, wenn Cicero, de legibus I 5, 17 (non ergo a praetoris edicto, ut plerique nunc, neque a duodecim tabulis, ut superiores, sed penitus ex intima philosophia haurienduam iuris disciplinam) die Zwölftafeln der vorklassischen Jurisprudenz ebenso wie das Edikt der neuen Jurisprudenz der Philosophie entgegensetzt. Cicero versucht, wie er unmittelbar darauf folgend ausführt, einen Standpunkt einzunehmen, der in seinem Ansatz über den beiden positiven Jurisprudenzen steht. Daher will er das Recht aus der Natur des Menschen ableiten und Gesetze formulieren, die überall gelten sollten. Die positiven Rechte werden aus dieser Sicht, wie er klar macht, zu konkretisierten Einzelfällen, die von jenem Ausgangspunkt aus rechtsethisch bewertet werden können. Die konstituierenden philosophischen Einflüsse, die in den beiden Jurisprudenzen verarbeitet sind, werden nicht erwähnt, machen aber diese übergreifende Sichtweise überhaupt erst möglich. 19 Daher sagt Licinius Crassus De oratore I 44 197 his ego de causis dixeram, Scaevola, eis, qui perfecti oratores esse vellent, iuris civilis esse cognitionem necessariam. (Aus diesen Gründen [wegen der beschriebenen Perfektion des vorklassischen Rechts] habe ich gesagt, Scaevola, daß denjenigen, die vollkommene Redner sein wollen, die Kenntnis des bürgerlichen Rechts notwendig ist.)
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