schen Recht eine vergleichsweise größere Rolle als in vielen anderen europäischen Rechtssystemen. Zweigert-Kötz weisen unter anderem auf die Bereitwilligkeit der nordischen Gerichte hin, den Gesetzestext durch Analogieschlüsse auszufüllen, welche eine direkte Folge des Fehlens einer umfassenden Kodifikation ist. Dennoch – und besonders imVerhältnis zum englischen Recht – scheint die schwedische Rechtspraxis streng gesteuert, nicht zuletzt durch die Stellung der Motive als Rechtsquelle. Auch der Platz der juristischen Doktrin in der Rechtsquellenlehre hat sowohl civil law- als auch common law-Juristen Kopfzerbrechen bereitet. Praktisch tätige Juristen bezeugen die Bedeutung der Doktrin als Rechtsquelle,48 während gleichzeitig Rechtswissenschaftler offen dieWissenschaftlichkeit und die bindende Kraft der juristischen Doktrin bezweifeln.49 Noch kurioser kann es scheinen, dass der schwedischen Rechtsquellenlehre praktisch eine hierarchische Ordnung fehlt. Die juristische Methodenlehre, die der nordischen Rechtstradition ihre einzigartige Prägung gegeben hat, wurde in ihren wichtigsten Aspekten während einiger formativer Jahrzehnte im 19. Jahrhundert geschaffen. Gegen Ende des Jahrhunderts beschrieb der schwedische Rechtswissenschaftler Ernst Viktor Nordling das Resultat dieser Entwicklung in seinenVorlesungen im allgemeinen Zivilrecht. Er läutete nämlich seineVorlesungsserie mit einem Durchgang durch die schwedische Rechtsquellenlehre ein. Es ist, nach Nordling, ein Fehler zu glauben, dass die Rechtsquellenlehre nur eine Konvention ist.Vielmehr ist jede Rechtsquelle Ausdruck einer besonderenArt,Recht zu schaffen. Das Gewohnheitsrecht, das die allgemeine Quelle des Rechts d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 263 48 Siehe Sandgren, Claes,Vad gör juristen? Och hur?, I.Teil, in Juridisk tidskrift 19992000, S. 596f. 49 Siehe t ex Jan Hellners Meinung, dass der Rechtswissenschaftler sich “außerhalb des Systems” befände, und dass wohl kein Gericht sich gebunden fühlen würde, das anzuwenden, was die juristische Doktrin empfehle, in Rättsteori. En introduktion, Stockholm1994, S. 115. Notiere die Kritik gegen diese Auffassung in Claes Petersons Rezension von Hellners Rättsteori, in Förvaltningsrättslig tidskrift, 1996, S. 179f.
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