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Die in dieser Fabel erhaltene Denkweise, deren Struktur im übrigen nicht orthodox stoisch gedacht ist15, entspricht ganz dem hierarchisch-organischen Denken, wie es uns für das vorklassische Recht erschließbar ist. Durch die civilis scientia der vorklassischen Jurisprudenz, die Q. Mucius augur dem philosophischen Rhetor, wie Cicero ihn will, abspricht und als eine Klugheit eigener Art beansprucht – der Augur war vor Q. Mucius pontifex maximus der erste Lehrer Ciceros in der vorklassischenTradition – sind die Zwölftafeln zum Zentrum der organisch richtigen Verfassung des Gemeinwesens geworden. o k k o b e h r e n d s 26 CICERO, I 43, 193 si ... quem civilis scientia (sc. delectat), quam Scaevola non putat oratoris esse propriam, sed cuiusdem ex alio genere prudentiae, totam hanc descriptis omnibus civitatis utilitatibus ac partibus XII tabulis contineri videbit (Wenn jemand die bürgerliche [d.h. die politische im umfassenden Sinn desWortes] Wissenschaft erfreut, von der Scaevola [der seine von der Stoa geprägte Meinung als Dialogteilnehmer bereits ausgeführt hatte] nicht glaubt, daß sie dem Redner zu eigen ist, sondern zu einer gewissen Klugheit einer anderen Kategorie gehört, wird erkennen, daß sie als ganze unter Ordnung aller Güter und Gliederungen der Bürgerschaft 16 in den Zwölftafeln enthalten ist.) 15 Der Zustand der Uneinigkeit der Glieder, die Motive der Evolutionstheorie des Empedokles zu verarbeiten scheint (danach hätte die Natur die Glieder vor dem Körper geschaffen und nur die überlebt, die sich in gelungener Weise zu Körpern zusammengefügt haben), postuliert aber insofern der analytischen Form nach einen vorstaatlichen Zustand der Menschen, wie ihn wohl die akademische Skepsis, nicht aber die Stoa gekannt hat. Sie erinnert mit ihrer Analogie von Mensch und Staat im übrigen an PlatonsVorstellung (Politeia 368 e), daß sich die Gerechtigkeit nicht nur im einzelnen Menschen, sondern auch in einem ganzen Stadtstaat finde. 16 Das describere betont die Positivität (vgl. Cicero, de legibus I 5,5, wo die idealen Normen [leges quibus civitates regi debeant] dem positiv angeordneten Recht [quae composita sunt et descripta, iura et iussa populorum, in quibus ne nsotri quidem populi latebunt quae vocantur iura civilia] entgegengesetzt sind), ohne damit eine fruchtbare Auslegung (interpretatio) auszuschließen. Denn die vorklassische Auslegung versteht das Gesetz als dieWahl des Richtigen und übernimmt daher die Aufgabe, den gesetzlichen Ordnungsversuch in entsprechender Weise zu Ende zu denken. Die utilitates im obigen Text sind alle Güter, welche in den menschlichen Verhältnissen bewegt werden (vgl. Cicero, de officiis I 7, 22; de re publica I 4, 8), die partes sind die Rollen, die in den Gliederungen des Rechts möglich sind, sowohl die der Magistraturen, welche die utilitates publicae, wie die der Bürger und Menschen, welche über die utilitates privatae verwalten.

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