Auch wenn die Rechtswissenschaftler, wenn sie ihre Funktion in der Rechtsordnung richtig begreifen, die hauptsächlicheVerantwortung dafür haben, dass die natürliche Einheit des Rechts zumAusdruck kommt, ist dennoch das System des Rechts sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel aller juristischen Argumentation. DieVerschmelzung vonTheorie und Praxis hat eine Reihe von Vorteilen, da beide Tätigkeiten – um ihr optimales Niveau zu erreichen – in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander stehen. Die Praxis trägt dazu bei, das Rohmaterial zu produzieren, aus dem die Rechtswissenschaftler ihr System konstruieren. Ohne den systematischen Grund, den die Rechtswissenschaft hervorbringt, ist eine gute Rechtsanwendung selten. Der Mangel einer Methode des wissenschaftlich ungebildeten Richters führt unausweichlich zu einer willkürlichen oder mechanischen Rechtsanwendung: Auch der praktisch tätige Jurist muss daher im Stande sein, wie ein Rechtswissenschaftler zu denken.33 Genau genommen ist die wissenschaftliche Bildung der Kitt, der eine Reihe disparater Berufe in einen Berufstand verwandelt.34 Die Frage nach der ma r i e s a n d s t r ö m 256 Besserung der Rechtspflege ausgehen muss, und worin wir vorzüglich von den Römern zu lernen haben: auch unsere Theorie muss praktischer und unsere Praxis wissenschaftlicher werden, als sie bisher war.”31 31 A. a. O., S. 77. 32 A. a. O., S. 79. 33 A. a. O., ibidem: “Allerdings ist in dem Mannichfaltigen die Einheit enthalten, aber wir sehen sie darin nicht, wenn wir nicht den ausgebildeten Sinn für dieselbe mit hinzu bringen: ja, wir werden ohne diesen Sinn die individuelle Gestalt des Mannichfaltigen selbst nicht mit Sicherheit unterscheiden.” 34 A. a. O., S. 92 (“das Gemeinsame”). “Das nachteiligsteVerhältniss in dieser Rücksicht ist unläugbar dasjenige, worin der Richter darauf beschränkt seyn soll, einen gegebenen Buchstaben, den er nicht interpretiren darf, mechanisch anzuwenden: betrachtet man dieses Verhältniss als den äussersten Punkt auf einer Seite, so würde das entgegengesetzte äusserste darin bestehen, dass für jeden Rechtsfall der Richter das Recht zu finden hätte, wobey durch die Sicherheit einer streng wissenschaftlichen Methode dennoch alle Willkühr ausgeschlossen wäre.”32
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