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1872 beendete man das Kodifikationsprojekt formell, als die damalige Regierung beschloss, in Zukunft von einer weiteren Bearbeitung desVorschlages für ein neues Gesetzbuch abzusehen. Außer der “stillen und, wenn man so will, wenig pietätsvollen Beerdigung”5 des schwedischen Gesetzbuchprojektes prägen eine Reihe schwer zu erklärender Paradoxe die schwedische Kodifikationsgeschichte. Der Widerstand gegen das vorgeschlagene Gesetzbuch kann rein politisch erklärt werden; der Einfluss des französischen Code Civil beunruhigte natürlich konservativ gesinnte Kommentatoren. Gleichzeitig wird es bei einem näheren Studium der Quellen offensichtlich, dass die Skepsis der Juristen eher der Form des Gesetzesvorschlages galt, als dessen Inhalt. Ein großer Teil der vorgeschlagenen Änderungen des schwedischen Zivilrechts wurde ja während des 19. Jahrhunderts durchgeführt, wenn auch in der Praxis und in der Form von punktweisen Gesetzen. Überhaupt bedarf der sture Widerstand der Juristen gegen die Kodifikationspläne, besonders der des Richterstandes und der Rechtswissenschaft, einer Erklärung. Warum widersetzten sich Richter und Rechtswissenschaftler so energisch einer Reform des Gesetzes, dessen wichtigste Zielsetzung eine rechtssichere und effektivere Rechtsprechung war? Spätere Betrachter haben die “Engstirnigkeit und die ungerechtfertigten Rücksichten, die der Annahme des neuen Gesetzbuches, welche dem Lande vor einem Jahrhundert möglich war, imWege standen”6 mit wenigen Ausnahmen beklagt. Marks von Würtemberg war persönlich davon überzeugt, dass das vorgeschlagene Gesetzbuch, wenn es denn angenommen worden wäre, sowohl den Gerichten als auch der Rechtswissenschaft dienstreich gewesen wäre.7 Es gibt jedoch Grund dafür, Marks von Würtembergs Erklärung für den massiven Widerstand des Richterstandes in Frage zu stellen. Ist es wirklich wahrscheinlich, ma r i e s a n d s t r ö m 240 5 A. a. O., S. 189 6 A. a. O., S. 198 7 A. a. O., S. 199

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