RS 23

d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 223 bilden. Soll die Kodifikation jede Willkürlichkeit ausschließen können, muss diese, nach Savigny “eine mechanische Sicherheit der Rechtspflege” garantieren. Eine derartige mechanische Sicherheit - logische Subsumtion - führt zu großen Problemen in der Rechtsanwendung, da jedes Inbetrachtziehen der besonderen Umstände des einzelnen Falles unmöglich gemacht wird. Der Zweck der Kodifikation liegt auch darin, das Bedürfnis nach rechtswissenschaftlicher Rechtsbildung zu eliminieren, was vor allem im Kommentarverbot zumAusdruck kommt. Die exklusive Stellung, die der Kodifikation zuerkannt wird, bringt mit sich, dass die rechtswissenschaftliche Theoriebildung, d.h. eine Systematisierung, vernachlässigt wird. Die Rechtswissenschaft kann daher nicht dazu beitragen, dass der Stoff übersichtlich und handhabbar wird. Trotz der “vollständigen” Kodifikation tendiert daher das rechtliche Material dazu, wieder ungehemmt zu wachsen. Paradox genug hebt die Kodifikation daher die Bedeutung der rechtswissenschaftlichen Arbeit hervor, wenn auch in indirekterWeise.Typisch für die Kodifikation ist, dass sie den Pluralismus in der Rechtsquellenlehre unterdrückt und daher eher eine Gefahr für rechtliche Einheit als dessen Garant wird. Das Beiseiteschieben der übrigen Rechtsquellen hat ein Ungleichgewicht in der Rechtsquellenlehre zur Folge, weshalb die Rechtsanwendung nicht auf eine im Rahmen der juristischen Methodenlehre kontrollierbarenWeise geschieht. Dies führt zu negativen Konsequenzen für die Rechtssicherheit, da es unklar wird, auf welchen Gründen der Richter seine Beschlüsse fasst. Dem Überglaube an die Möglichkeiten der Kodifikation liegt, nach Savigny, offensichtlich die fehlerhafte Auffassung zu Grunde, dass jedes Recht der Gesetzgebung entstammt und weiters, dass die Kodifikation eineVollendung des positiven Rechts darstellen würde. In Wirklichkeit ist es so, dass das Gesetzbuch in einer unauflöslichenVerbindung zu den übrigen Rechtsquellen steht, weshalb das Recht sich nicht ausschließlich mit Gesetzgebung identifizieren lässt. Die Rechtsentwicklung ist stattdessen

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