demVollständigkeitsideal folgt als ein Korollarium, dass der Kodifikation angeblich Lücken fehlen. Dies bedeutet wiederum, dass dessen Anwendung nur in der Form der Subsumtion erfolgen kann. Der Richter wird daher zu einem bloßen Subsumtionsautomaten reduziert. Besteht trotz allem eine Lücke im Gesetz kann diese folglich nicht durch eine Analogie geschlossen werden. Dem Richter wird auch nicht erlaubt, den Gesetzestext zu interpretieren, falls Unklarheiten vorliegen. Falls dem Richter Anhaltspunkte fehlen, wie eine Bestimmungen angewendet werden soll oder ein ungeregelter Fall gelöst werden soll, soll er stattdessen in der Frage einen Beschluss des Gesetzgebers einholen, d.h. eine Gesetzeserklärung oder ein référé legislatif. Das Recht wird mit der Kodifikation identifiziert, die mit anderen Worten als die einzige Rechtsquelle angesehen wird. Jeremy Bentham hat in “A GeneralView of a Complete Code of Laws (1804) den Gedanken auf eine fast archetypische Weise formuliert, nämlich ”Whatever is not in the code of laws, ought not to be law”. Diese monistische Rechtsquellenlehre hat historisch gesehen äußert negative Konsequenzen für die anderen Rechtsquellen, welche sogar in Verdacht gebracht wurden und vom Gesetzgeber niedergedrückt wurden.17 Oben ist hervorgegangen, dass das Interpretationsverbot und das Verbot gegen Analogieschluss den Richter zu einem unselbständigen Subsumtionsautomaten verwandeln.Auch die Rechtswissenschaftler sind betroffen, da die vollständige Kodifikation ein Kommentarverbot impliziert. Dies bedeutet, dass die rechtswissenschaftliche Tätigkeit dahingehend beschränkt ist, in einer deskriptivenWeise den Inhalt des Gesetzestextes wiederzugeben. Der Zweck einer Kodifikation ist gemäß dem Programm der Aufklärung, sowohl eine innere Einheit, d.h. Gleichwertigkeit in der Rechtsanwendung, als auch eine äußere Rechtseinheit, d.h. einheitliche Gesetzgebung in einem geographisch beschränkten Gebiet, zu erreichen. Die Kodifikationsidee hat große Anziehungskraft, da sie c l a e s p e t e r s o n 220 17 Die Kabinettsweisung von Fredrik II aus dem Jahre1780 stellt hierzu ein Beispiel dar.
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